Das Kempener Ehepaar, Manfred (74) und Marianne Rehnen (72), hat ein spannendes Hobby. Mit Ahnenforschung in der eigenen Familie haben sie angefangen – mittlerweile sind sie als Erbenermittler für Nachlassverwalter tätig. Diese Aufgabe führte ihre Recherche schon bis nach Kanada und Neuseeland.
Ulrike Gerards
Mit der eigenen Familie fing alles an: 1977 hatte Manfred Rehnen begonnen, sich für seine Familiengeschichte zu interessieren. Sein Vater wollte einige Papiere wegschmeißen. Da fiel dem Sohn ein Hakenkreuz ins Auge. Es war der sogenannte ‚Ariernachweis‘, den sein Vater bis dahin aufgehoben hatte, ein Büchlein, in dem die Vorfahren der letzten drei Generationen aufgeführt wurden und das jeder haben musste, der im Nationalsozialismus eine Offizierslaufbahn eingeschlagen hatte. Kurze Zeit später ist sein Vater gestorben. Für Manfred Rehnen war das Ereignis der Anstoß, sich genauer mit der eigenen Familiengeschichte zu befassen. Er habe zunächst alle Verwandten befragt. Seine Tante hatte noch das Stammbuch der Großeltern. Seine Vorfahren kamen vom Kamperlingshof und hatten viele Kinder. Das passte nicht auf ein DinA4-Blatt. Daher holten er und seine Frau eine Tapetenrolle, um genug Platz für den Stammbaum der ersten, zweiten und dritten Generation zu haben. Mittlerweile haben sie in 40 Jahren rund 12.000 Namen zusammengetragen, Vorfahren, die bis ins Jahr 1600 zurückreichen. Das Buch, das daraus entstand, war in der ganzen Familie begehrt. „Mit fast jedem Bauern aus Schmalbroich und Reckenhöfe bin ich verwandt – manchmal über viele Ecken“, sagt Rehnen schmunzelnd.
Auch die Wurzeln der Familie seiner Frau Marianne wurden genau nachverfolgt. Die Eltern kamen aus Ostpreußen. Von dort, dachte man zunächst, würde es nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr viele Informationen geben. Die Stammfamilie kam aber aus dem Raum Görlitz, wo sie im evangelischen Kirchenarchiv fündig wurden und nach und nach die Hauptlinien des Stammbaums ebenfalls bis ins Jahr 1600 zurückverfolgten. Während die Familie von Manfred Rehnen sie in holländische Archive führte, waren sie für ihre Seite des Stammbaums in Polen unterwegs, suchten dort in den Archiven, hatten nette Begegnungen und erfuhren viel Hilfsbereitschaft.
Manfred und Marianne Rehnen entwickelten sich zu echten Profis in der Ahnenforschung und im Urkundenwesen. „Uns macht es auch Spaß, die alten Schriften zu entziffern. Meine Verwandten schrieben noch Sütterlin, da habe ich mich schon als Kind reingelesen“, erzählt Marianne Rehnen. Altdeutsche Frakturschrift sei dagegen schon mal eine Herausforderung.
Beruflich war Manfred Rehnen als Polizeibeamter tätig, Marianne Rehnen hat beim Kreis die Ausbildung gemacht und dann zuletzt als Angestellte im Büro der Polizei gearbeitet. Mit der Pensionierung widmeten sie sich dann einer neuen Aufgabe. Und das kam so: Für die Westdeutsche Zeitung führte Manfred Rehnen einen Journalisten kurz vor dem Abriss noch einmal durch das alte Kreishaus, dort wo heute der Klosterhof an der Burgstraße Ecke Orsaystraße steht. Die Zeitung berichtete auch über sein Hobby Familienforschung. Dadurch wurde ein Rechtsanwalt in Dülken auf den Kempener aufmerksam und fragte, ob er nicht Lust hätte, für ihn als freier Mitarbeiter zu arbeiten und Erben zu ermitteln. Seine Frau und er sagten zu und sind nun seit zwölf Jahren als freie Erbenermittler tätig.
„Die Gesellschaft ändert sich. Es gibt viele ältere Menschen und immer mehr sterben, ohne ein richtiges Testament zu haben. Die Gerichte wissen dann nicht, wer als Erbe infrage kommt“, berichtet Marianne Rehnen. „Gerichte können das nicht leisten und beauftragen Anwälte, die sich auf Erbrecht spezialisiert haben“, so Manfred Rehnen. Für die Erbenermittlung setzen diese dann gerne auf die Dienste von Fachleuten wie Manfred und Marianne Rehnen – die auch etwas mehr Zeit haben, wie Manfred Rehnen bemerkt. Denn die Verfahren sind teils sehr zeitaufwendig. Da wartet man unter Umständen schon mal acht bis zwölf Wochen auf eine Urkunde, weil die Standesämter diese nicht früher liefern.
In der Regel erhalten die beiden zum Start ihrer Recherche eine Sterbeurkunde und forschen zunächst nach Kindern und Geschwistern. Werden sie dort nicht fündig, geht es weiter in der Elterngeneration, in der Onkel und Tanten gesucht werden, die vielleicht noch lebende Nachkommen haben, die erbberechtigt sein könnten. Ist das nicht der Fall, geht man in die dritte Ebene zurück. So hangeln sie sich von Urkunde zu Urkunde, von Generation zu Generation, bis ein Erbe gefunden ist. Ein aufwendiges Unterfangen. In einem Fall hatte die Ermittlung zwei Jahre gedauert, weil die Archive so lange gebraucht hatten.
„Es kommt auch darauf an, wie viel es zu vererben gibt, wie lange die Suche weitergeht. Das entscheidet das Gericht“, erzählt Manfred Rehnen. Denn die Suche kann teuer werden. Allein für beglaubigte Urkunden sind in einem Fall die Kosten auf 2.500 Euro gestiegen. Das Ermittlerpaar erinnert sich auch gut an einen Fall, in dem zunächst keine Erben zu finden waren, sich dann in der dritten Ebene aber 60 Erben auftaten – in ganz Deutschland verteilt. Das Gericht entschied, den Fall nicht mehr weiter zu verfolgen, weil das Erbe nach Abzug der Kosten für jeden Einzelnen nicht mehr der Rede wert gewesen wäre. Um wie viel Geld es bei ihren Fällen geht, wissen die Erbenermittler nicht. Daher wissen sie auch nicht, ob oder wie viele Menschen ihnen vielleicht einen großen Geldsegen zu verdanken haben. Das ist für sie aber auch nicht wichtig.
Neben der Archivrecherche suchen sie auch im Internet oder im direkten Kontakt. „Wenn wir auf lebende Verwandte gestoßen sind, rufen wir auch gerne an“, erzählt Marianne Rehnen. Nicht immer ist es einfach, Telefonnummern zu ermitteln. Das Telefonbuch hilft da heute meist nicht weiter. Jüngere findet man aber dafür gut im Internet. Online-Kondolenzbücher ergeben immer wieder gute Recherchemöglichkeiten.
Die Reaktionen auf direkte Kontaktaufnahmen sind ganz unterschiedlich. Häufig kommt es vor, dass ihnen die Menschen bei Fragen nach der Verwandtschaft gar nicht weiterhelfen können. „Wir erleben immer wieder, dass Menschen innerhalb der Familie keinen Kontakt mehr haben. Da gab es einen Fall, dass zwei Brüder in Nachbarorten keinen Kontakt zueinander hatten, und die Kinder wussten gar nichts von ihren Cousins“, erzählt Manfred Rehnen. Mit den Ermittlungen tauchen die beiden immer mal wieder ein in Familien – und deren Krisen. Das komme vor. Familie suche man sich eben nicht aus. Und so treffen schon mal sehr unterschiedliche Menschen aufeinander.
Die Verstorbenen, deren Erben die Kempener Ermittler suchen, kommen aus dem weiteren Umkreis, aus dem Kreis Viersen, Leverkusen, Duisburg oder auch Solingen zum Beispiel. Die Suche nach den Verwandten führt sie dann auch in die ganze Welt. Erfolgreiche Ermittlungen hatten sie zum Beispiel in Kanada, in den USA oder in Neuseeland. Auf eine „Gesuchte“ war Marianne Rehnen im Internet durch ihre positive Bewertung eines Umzugsunternehmens in Neuseeland gestoßen. „Wir haben dem Umzugsunternehmer alles erklärt, unsere Vollmachten zugeschickt und ihn gebeten, der Dame unsere Telefonnummer zu geben, damit sie sich melden kann. Das ist dann auch passiert.“ Für ihre Recherchen haben sie Vollmachten vom Gericht. Diese legen sie bei Anfragen auch immer vor. „Den Älteren sagen wir immer, dass es gut ist, am Telefon misstrauisch zu sein und schicken dann unsere Vollmacht per E-Mail rüber.“
Für die Erbenermittlung sind Manfred und Marianne Rehnen wie geschaffen. „Wir haben beide keine Probleme, auf Menschen zuzugehen“, sagt sie. „Und keine Probleme auf Ämter zuzugehen“, ergänzt er. Es gehe ihnen darum, ihren Kopf anzustrengen, sagen sie. Und doch wollen sie so langsam kürzertreten. Man werde ja nicht jünger. Und neben der Erbenermittlung sind es die eigene Familienforschung und Anfragen von Bekannten nach Hilfestellungen bei Nachforschungen und Urkunden, die immer wieder dafür sorgen, dass im Hause Rehnen keine Langeweile einkehrt.
Tipps für den Start in die Ahnenforschung
Für alle, die mit der Ahnenforschung beginnen möchten, hat Manfred Rehnen einige Tipps verraten:
Früh anfangen! Es ist einfacher, wenn man noch lebende Verwandte, Eltern, Tanten, Onkel, Großeltern befragen kann, deren Aussagen miteinander vergleichen und aufschreiben kann. Neben Daten sind auch die Orte von Geburten, Hochzeiten und Co. wichtig für die weitere Recherche.
Dann geht man chronologisch vor, arbeitet sich zeitlich nach hinten vor und beginnt mit dem „einfachsten“. Denn beim Erstellen eines Stammbaums gibt es drei Schwierigkeitsgrade: Leichter ist es mit der direkten Namenslinie zu beginnen. Das ist der Vater, dessen Eltern man ermittelt, dann folgen die Eltern des Großvaters und so weiter. Im zweiten Schritt kann man dann die Vorfahren der Mutter, Großmutter etc. erfassen – zunächst nur die direkten Vorfahren. Im dritten Schritt dann deren Geschwister mit Ehepartnern und Kindern.
Ein bisschen Geschichtswissen im Hintergrund schadet nicht. So findet man Daten von Standesämtern nur bis zum Jahr 1798. Damals hat Napoleon im sogenannten Code civil Standesamtsbücher eingeführt. Für Recherchen vor der napoleonischen Zeit muss man in den Kirchenbüchern suchen. In der Regel sind diese aber in größeren Archiven wie dem Kreisarchiv Viersen erfasst und müssen nicht in der einzelnen Pfarrgemeinde angefragt werden. Hier sind Lateinkenntnisse von Vorteil und man muss die alten Schriften lesen können.
Drei Onlineplattformen können ebenfalls hilfreich sein: MyHeritage, FamilySearch und Ancestry – diese wachsen von Jahr zu Jahr um viele alten Daten, so Manfred Rehnen.
Digitale Ahnenforschung im Kreisarchiv Viersen erweitert
Am 21. Februar 1938 heirateten in Kempen Franz Matthias Schmitz und Theodora Horster. Um das herauszufinden, muss man seit kurzem nur einen der Namen ins Suchfeld auf www.archive.nrw.de eintippen. Das erleichtert die Recherche für alle, die auf der Suche nach ihren Vorfahren und deren Lebensdaten sind. Bis vor kurzem musste man dafür noch lange Tabellen durchsehen und mit den dort ermittelten Nummern die gesuchte Urkunde heraussuchen lassen. „Die Erschließung, wie sie jetzt hier ehrenamtlich geleistet wird, ermöglicht die Volltextsuche nach einzelnen Personennamen und Daten. Das ist ein riesiger Komfortgewinn“, sagt Kreisarchivleiter Dr. Michael Habersack.
Zu verdanken ist dies dem Engagement einer Arbeitsgruppe um Ramona Vahle-Bonsels. Im Oktober 2021 begann das Projekt der „Tiefenerschließung“ der Heiratsregister für alle Teile des Kreisgebiets, für die das Kreisarchiv zuständig ist. Bisher wird das Zeitfenster von 1926 bis 1943 bearbeitet. Die Heiratsregister des Jahres 1943 sind die jüngsten, die im Kreisarchiv vorliegen. Jüngere Heiratsregister liegen noch bei den Standesämtern.
Im Archivportal sind aus den Heiratsregistern des Kreisgebiets bis jetzt schon über 14.000 Personen suchbar. „Zum Ende des Jahres rechnen wir mit über 30.000 online recherchierbaren Personennamen“, sagt der stellvertretende Leiter des Kreisarchivs, Dr. Matthias Herm. „Vielen Familienforschenden ist gar nicht klar, wie wichtig die Beischreibungen – Ergänzung der Originalurkunde etwa um Sterbedaten oder Geburten von Kindern etc. – aus den Registern für die Ahnenforschung sind“, erklärt Ramona Vahle-Bonsels, die auch andere Ahnenforschende immer wieder berät. Man findet derlei Beischreibungen vollständig nur in den Erstschriften der Standesamtsregister.
Der von Ramona Vahle-Bonsels geleitete Arbeitskreis setzt seine Arbeit fort und erschließt weiter ältere Jahrgänge. Wer sich dort engagieren möchte, kann sich melden per E-Mail an: archiv@kreis-viersen.de