Eva Scheuss
Das Emmaus-Oratorium von Thomas Gabriel wird am Samstag, 3. Juni, in St. Tönis und am Sonntag, 4. Juni, in Kempen aufgeführt. „Erlebe Kempen“ war beim Probentag für dieses Groß-Projekt zu Gast.
Der Pfarrsaal der Kempener Gemeinde Christ-König ist voll. Rund 120 Sängerinnen und Sänger sitzen dicht an dicht. An diesem Samstag ist Probentag für ein musikalisches Großprojekt. Sechs Kirchenchöre aus Kempen, St. Hubert und St. Tönis sowie Gastsängerinnen und Gastsänger haben sich dafür zusammengetan. Genauso wie die Kirchenmusiker Ralph Hövel (63), Stefan Thomas (43) und Christian Gössel (36) der katholischen Gemeinschaft der Gemeinden (GdG) Kempen-Tönisvorst. Oft ist dieses Großgebilde mit vier Pfarrgemeinden, sechs Kirchen und 33.000 Katholiken etwas abstrakt und im Glaubensleben vor Ort nur schwer fassbar. Diesmal aber ist die Gemeinschaft seh- und hörbar.
Seit Herbst proben die Kirchenmusiker mit ihren Chören das Stück. Bei den Probentagen in Christ-König werden sie zu einer musikalischen Einheit geformt. Die Gesamtleitung hat Kantor Christian Gössel aus Kempen. Mit klaren Worten und Gesten führt er durch die genau durchgetaktete Probe. Und sorgt – bei aller konzentrierten Arbeit an der Musik – mit humorigen Anmerkungen für gute Stimmung.
Das Rockoratorium Emmaus wurde 2002 komponiert. Die Musik stammt von Thomas Gabriel, der Text von Eugen Eckert. Thomas Gabriel (Jahrgang 1957) stammt aus Essen, ist Kirchenmusiker, Komponist und Arrangeur mit einem umfangreichen Werkzyklus. Er komponiert moderne Kirchenmusik, auch für Großereignisse wie Katholikentage.
Das Oratorium beruht auf der biblischen Erzählung vom Gang zweier Jünger nach Emmaus. Jesus, auf den sie ihre Hoffnung gesetzt hatten, ist in Jerusalem einen grausamen Tod am Kreuz gestorben. Alles scheint vorbei zu sein. Im Oratorium sind es der im Evangelium genannte Kleopas und eine Jüngerin namens Thekla, die nach Emmaus reisen. Unterwegs gesellt sich ein Fremder zu ihnen, den sie erst später als den auferstandenen Jesus erkennen. Erst als sie gemeinsam zu Tisch sitzen und Jesus das Brot bricht, erkennen sie ihn und glauben an seine Auferstehung.
Die Solopartien bei den beiden Konzerten werden Dieter Liehnen als Kleopas und Henriette Gössel als Thekla übernehmen. Ilyas Adjana und Alexander Potapov sind Schüler des Luise-von-Duesberg-Gymnasiums in Kempen. Sie tragen die Solopartien von Jesus und Evangelisten. Weitere kleine Partien werden von Chorsängern übernommen.
Die Musik ist mitreißend und anspruchsvoll. Stilistische Vielfalt steht dabei im Vordergrund und lässt das Werk zu kurzweiliger Unterhaltung mit geistigem Inhalt werden. Neben Rock-, Pop- und Jazzklängen sind jüdische Klezmermusik und barocke Choräle, wie Johann Sebastian Bachs „O Haupt voll Blut und Wunden“ – wenn auch mit anderem Text – zu finden. Zur stilistischen Vielfalt gesellt sich die instrumentale Vielfalt – die Rockband steht neben dem klassisch besetzten Orchester. Neben den klassischen Instrumenten wie Streichern und Blasinstrumenten sind auch Keyboard, E-Gitarre, Percussion und Drumsets vertreten.
Gerade probt der Chor an einem Stück, in dem der gekreuzigte Jesus von Umstehenden verhöhnt wird. „Du Messias? Dass ich nicht lache.“ Und „Bist Du der König der Juden? So steig vom Kreuz herab.“ ist da zu hören. In schnellen Abfolgen hämmert der Chor diese Worte heraus. „Das ist noch zu lieb!“, ruft Christian Gössel. Ein starker stilistischer Wechsel dann im nächsten Stück. Jetzt stellt der Chor nicht mehr die aufgebrachte, hämische Menge dar, sondern den Einzelnen auf Glaubens- und Sinnsuche in seinem Leben: „Statt tot und nein zu sagen, will ich’s mit Glauben wagen!“ heißt es da. „Ihr habt da wirklich was zu sagen“, findet Christian Gössel. „Richtet Euch auf!“, fordert er die Sänger auf.
Das Projekt ist eine Herausforderung – für alle Beteiligten. Anne Simon und Rita Friedrich singen im Chor „Cantabile“. Zu Anfang sei es schwer gewesen, sich mit dieser ungewohnten Art von Musik zurechtzufinden, erzählen sie. „Doch seit dem ersten gemeinsamen Probentag ist das anders, die Freude wächst“, erzählt Rita Friedrich. „Cantabile“ ist hervorgegangen aus einem Zusammenschluss der Kempener Kirchenchöre von Christ-König und St. Josef, die – auf sich gestellt – aufgrund von Überalterung und Mitgliederschwund nicht mehr singfähig waren. Ein Problem, das derzeit viele Kirchenchöre haben.
Ähnlich ist es beim Pfarr-Cäcilienchor St. Hubertus (St. Hubert) und dem Kirchenchor St. Cornelius (St. Tönis). Auch diese Chöre unter der Leitung von Stefan Thomas haben sich zusammengetan. Martina Hillebrands ist Vorsitzende des Kirchenchors St. Cornelius, der in diesem Jahr sein 150-jähriges Jubiläum begeht. Ein Grund, warum eine der beiden Aufführungen in St. Tönis stattfindet.
Aus der Gemeinde St. Marien in Kempen kommen der Chor „Laudate“ – der frühere Propstei-Cäcilienchor – sowie der Gospelchor „Good News“, jeweils unter der Leitung von Christian Gössel. Die jüngsten Mitsänger im Alter von 17 Jahren entstammen dem Jugendchor von Christ-König. Ältester Sänger dürfte der 94-jährige Willy Mayntz aus Oedt sein, der seit Jahrzehnten im Kirchenchor der Propsteikirche mitsingt. Die Altersspanne der Sänger ist also groß, aber auch die musikalische Vorbildung und Ausrichtung. Beate Hoff kann keine Noten lesen, singt alles nach Gehör. Und findet nun relativ leicht in die Musik des Oratoriums hinein. „Das ist eine Mischung aus Pop, Gospel und Klassik“, sagt sie. Und betont, wie wichtig die Probentage sind. Auch für das Gemeinschaftsgefühl. In der Pause schlemmen alle vom üppigen Buffet, zu dem jeder etwas beigesteuert hat.
Die drei Kirchenmusiker besprechen sich noch einmal. Auch hier ist die Stimmung entspannt. „Wir schwingen alle auf derselben Wellenlänge“, sagt Stefan Thomas. „In der Corona-Zeit hatten viele Chöre sehr zu kämpfen“, erzählt Christian Gössel. Manch einer verließ seine Sängergemeinschaft. Und die Verbliebenen kämpfen bis heute um den Neuanfang mit einer stark geschrumpften Besetzung. „Wir wollen den Leuten das Gefühl geben, bei einer großen musikalischen Sache dabei zu sein“, sagt Christian Gössel. Das Werk hat er ausgesucht, um auch Sänger von außerhalb zu locken. Eine Rechnung, die teilweise bereits aufgeht: Sein Gospelchor „Good News“ verzeichnet schon fünf neue Mitglieder. Und Propst Thomas Eicker, der Leiter der GdG, findet: „Ich freue mich, dass so viele singende Menschen unserer GdG sich auf den Weg gemacht haben, sich miteinander der anspruchsvollen Probenarbeit zu stellen. Hier finde ich ein schönes Beispiel, dass wir mit vier Gemeinden etwas Großes auf die Beine stellen, was eine Gemeinde allein nicht schafft.“
Konzerte
Die Aufführungen sind am Samstag, 3. Juni, um 18 Uhr in St. Cornelius in St. Tönis und am Sonntag, 4. Juni, um 17 Uhr in Christ-König in Kempen. Beteiligt sind sechs Kirchenchöre aus Kempen, St. Hubert und St. Tönis sowie Gastsänger. Hinzu kommen Solisten und ein großes Orchester.
Der Eintritt kostet 15 € (ermäßigt 10 €). Karten gibt es bei Schreibwaren Beckers, Engerstraße 10 in Kempen. Und beim Lotto-Team Schwirtz, Hochstraße 3 a in Tönisvorst.
Das Projekt wird im Rahmen des Programms IMPULS gefördert. Mit dem Förderprogramm soll der Amateurmusik in ländlichen Räumen geholfen werden. Auf der Website heißt es: „Musikvereine, Chöre und andere Amateur-Musiktreibende haben eine harte Zeit hinter sich. Um diesen Vereinen wieder auf die Beine zu helfen, hat die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) im Rahmen des Projektes „Neustart Kultur“ das Förderprogramm IMPULS ins Leben gerufen.“