Hans-Christian Marwedel landet bei den Wettkämpfen zum „Toughest Firefighter Alive“, also zu den härtesten lebenden Feuerwehrleuten, immer wieder auf dem Treppchen und schwenkt dort die Kempen-Fahne. Das erfordert eine Menge Training – bei dem auch mal Treckerreifen zum Einsatz kommen.
So mancher Feuerwehrkollege habe zunächst durchaus gegrinst, als er Hans-Christian Marwedel den Treckerreifen über den Hof der Feuerwache habe ziehen sehen, erinnert sich Kempens Feuerwehr-Chef Franz-Heiner Jansen schmunzelnd. Mittlerweile grinst niemand mehr. Staunen und Bewunderung ist stattdessen angesagt, wenn der Feuerwehrmann erzählt, was er in seiner Freizeit tut. Der Kempener gehört zu den „Toughest Firefighter Alive“, also zu den härtesten lebenden Feuerwehrleuten. Die Liste seiner Erfolge allein vom letzten Wettbewerb im Juni kann sich sehen lassen: Deutscher Meister Mixed Staffel, Vizemeister in der deutschen Meisterschaft gesamt sowie in der Altersklasse M30, Vizemeister auch in der Europameisterschaft gesamt sowie in der Altersklasse M30.

Für diese Leistungen erhielt er nun einen Eintrag ins Gästebuch der Stadt. Bürgermeister Christoph Dellmans zeigte sich beeindruckt, was Hans-Christian Marwedel erreicht hat – und das aus dem Ehrenamt heraus. Schließlich sind viele der Konkurrenten bei Berufsfeuerwehren tätig. Hans-Christian Marwedel hat als Bauingenieur, aber noch einen zeitintensiven Beruf und trainiert in seiner Freizeit. „Wenn du auf dem Siegerpodest stehst und die Stadtfahne hochhältst, zeigt das, wie sehr du mit Kempen verbunden bist und wie sehr du hinter dieser Stadt stehst“, so Dellmans. Mit dem Eintrag ins Gästebuch werde er zum Teil der Stadtgeschichte. Dort dürfen sich wichtige Persönlichkeiten eintragen sowie Kempenerinnen und Kempener, die herausragenden Leistungen erbracht haben.
Mit Gewichten über Leitern und durch Tunnel
Und das trifft auf Hans-Christian Marwedel zu. Beim Toughest Firefighter Alive stehen Disziplinen auf dem Programm, die einen Staunen lassen. Die gesamte Bandbreite körperlicher Leistungsfähigkeit wird abgerufen. Man muss schnell sein, viel Kondition haben und Kraft mitbringen. In Mönchengladbach finden alljährlich die Deutschen und Europa-Meisterschaften statt. Schlauchziehen und Schläuche aufrollen ist dann eine Aufgabe. Zwei B-Schläuche, insgesamt 75 Meter lang, müssen vollständig bis zu einer Markierung ausgezogen, anschließend aufgerollt werden. „Das klingt zwar einfach, aber mit jedem Meter werden diese großen Schläuche schwerer, weil die Reibung immer stärker wird. Und wenn die Beine dann leer sind, wird das Einrollen zur Hölle“, erzählt Hans-Christian Marwedel. An Station zwei wartet die Hammerschlagmaschine, mit der das Einschlagen einer Tür simuliert wird. Im Anschluss daran wird ein 80 Kilogramm schwerer Dummy getragen oder gezogen. Anschließend geht es mit einem 20-Kilo-Gewicht durch einen Tunnel und zum Schluss über eine drei Meter hohe Wand.
In diesem Jahr war es beim Wettbewerb in Mönchengladbach im Juni wieder sehr heiß, 30 Grad zeigte das Thermometer. Hans-Christian Marwedel war schon ziemlich k.o., als es zur Station 3 ging: Leiter anstellen und darüber zwei 15 Kilogramm schwere Kanister ins dritte Obergeschoss tragen. Dann wird ein 25 Kilogramm schweres Schlauchpaket hochgezogen. „Das sind zwei Bierkästen.“ Die letzte Station führt die 15 Etagen des Elisabeth-Krankenhauses hoch – 300 Stufen, das fordert zum Schluss noch einmal alles. Beim Treppenlaufen müsse er ein bisschen nachlegen, schmunzelt der Kempener Feuerwehmann. „Jens, der vor mir auf dem Treppchen war, kriegt mich immer auf der Treppe.“

Vier- bis fünfmal in der Woche trainiert der Kempener. Im Winter im Fitnessstudio, sonst an der Feuerwache an der Heinrich-Horten-Straße. Auf dem Hof und in der Wache habe man einen super Platz fürs Training. Dort haben die Kameraden einiges aufgebaut. Die Hammerschlagmaschine habe ein Schlosser aus der Feuerwehr nachgebaut, Gewichte, Dummys und eben besagter Treckerreifen stehen zur Verfügung. Bewunderung gibt es dafür sogar von Kameraden aus umliegenden Städten, die dann auch schon mal aus Dinslaken oder Krefeld nach Kempen kommen, um mitzutrainieren.
In der Saison kann man alle zwei Wochen an einem Wettkampf teilnehmen. Berlin und Höxter standen in diesen Wochen zum Beispiel auf dem Programm von Hans-Christian Marwedel. Letztes Jahr war er in Lissabon bei den World Firefighters Games, sozusagen die Weltmeisterschaften für Feuerwehrleute. Auch in der Weltelite schaffte es der Kempener aufs Treppchen und errang den dritten Platz – „das kann ich eigentlich immer noch nicht ganz fassen“, sagt er noch heute. Im nächsten Jahr will er bei den World Firefighters Games, die diesmal in Dänemark stattfinden, wieder dabei sein.
Aus einer Feuerwehr-Familie
Das Feuerwehr-Gen liegt bei Marwedel in der Familie. Großvater und Vater waren selbst in der Feuerwehr aktiv, erzählt Papa Friedrich Marwedel. Die Eltern begleiten den Sohn auch immer wieder zu Wettkämpfen. Und sie bekommen mit, mit wie viel Respekt die Konkurrenten dem Kempener begegnen, so Mutter Frauke Marwedel. Die meisten Teilnehmer seien Berufsfeuerwehrleute. „Für viele Kollegen war es eine Überraschung, als Hans-Christian gestartet ist und eine für sie gefährliche Zeit gelaufen ist – und das als Ehrenamtler von der Freiwilligen Feuerwehr.“
Man kann es gar nicht oft genug erklären: In Kempen gibt es eine Freiwillige Feuerwehr. Das bedeutet, dass die Männer und Frauen alle einem anderen Beruf nachgehen und dann ihre Freizeit einsetzen, um ehrenamtlich Tag und Nacht parat zu stehen, um bei Bränden, Unfällen und anderen Notlagen zu helfen. Der Großbrand in einem Kempener Chemieunternehmen Ende August, bei dem 250 Wehrleute aus Kempen und der Umgebung im Einsatz waren, zeigte jüngst noch einmal besonders deutlich, wie wichtig dieses Engagement ist.
Die eigenen Grenzen kennen
Für den Kempener Wehrführer Franz-Heiner Jansen ist das Engagement von Hans-Christian Marwedel ein Gewinn für die Feuerwehr. Sportbegeisterung bei den Kameradinnen und Kameraden herbeizuführen, sei unheimlich wichtig. Und das auch schon bei den Jüngeren in der Kinder- und Jugendfeuerwehr. Zum Glück habe man in Kempen nur wenige Brände zu bekämpfen, sagt Hans-Christian Marwedel. Aber das Training helfe auch bei den regelmäßigen Übungen. Sonst könne es schnell vorkommen, dass man sich überschätzt. „Ganz so einfach ist das nicht, sich jemanden zu packen und aus einem Haus zu ziehen zum Beispiel.“ Daher helfen die Wettkämpfe dabei, seine eigenen Grenzen besser einzuschätzen.
Fotos: Patrick van der Gieth, Ulrike Gerards