Mit viel Spaß zum guten Foto

Vor 185 Jahren begann das Zeitalter der Fotografie. Mit dem großen Holzkasten von damals hat das Fotografieren von heute nicht mehr viel gemeinsam. Heute haben wir unseren „Fotoapparat“ immer dabei, können Freunde nicht nur an unseren Urlaubserlebnissen, sondern an jeder sehenswerten Begegnung unseres Alltags teilhaben lassen. Aber wie macht man eigentlich gute Bilder? Wir haben mit einem Profi darüber gesprochen. 

Ulrike Gerards

Ich mache ‚nur‘ Fotos mit dem Smartphone.“ Wenn Sebastian Stengel das hört, wundert er sich über das Wörtchen „nur“. Denn man sagt, dass die beste Kamera die ist, die man gerade dabei hat. Und das ist mittlerweile eben meistens die im Smartphone. Sie ist leicht zu transportieren, einfach zu bedienen und man kann damit richtig gute Bilder machen – wenn man weiß wie. 

Sebastian Stengel liebt die Fotografie. Schon während des Studiums hat er angefangen, sich damit zu beschäftigen. „Ich habe zu Anfang Videos gemacht und da auch schon fotografiert, aber eher um Begleitmaterial zu haben, zum Beispiel um die DVD-Hülle dazu zu gestalten.“ Mit der Geburt seines Sohnes vor 15 Jahren wurde das Fotografieren dann intensiver. Als er beim Babyschwimmen damals mit der Kamera unterwegs war, sah das ein Paar und fragte, ob er nicht ihre Hochzeit fotografieren könne. So nahm für Sebastian Stengel neben seinem eigentlichen Beruf noch ein Nebengewerbe seinen Anfang, das er bis heute mit viel Begeisterung ausübt. Hochzeiten fotografiert er aber nur noch äußerst selten. Vor allem macht er Porträts von Einzelpersonen, rückt Paare und Familien oder auch Unternehmen und ihre Belegschaft ins rechte Licht. Und mit dem Appenzeller Sennenhund, der im Hause Stengel einzog, kam jüngst auch die Begeisterung für das Fotografieren von Familienhunden dazu. Dafür braucht es noch mal ein besonderes Händchen. „Aber das macht mir auch sehr viel Spaß.“

„Emotionale Fotografie“ – so würde er seinen Stil bezeichnen. „Ganz wichtig ist mir, dass man beim Fotografieren einen persönlichen Draht hat. Man ist schließlich bei wichtigen Familienfesten dabei und da möchte man ja nicht irgendwen an seiner Seite haben. Das muss passen. Und da bin ich sehr glücklich, dass ich überwiegend Leute gefunden habe, mit denen es passt“, erzählt der Kempener. Das sei wichtig, um auch die wahren Emotionen einfangen und festhalten zu können. „Ich arbeite lange an einem echten Lächeln oder Lachen, wenn sich jemand vor der Kamera zunächst nicht ganz wohl fühlt. Eine lockere Atmosphäre hatten wir aber meist recht schnell miteinander. Bei mir zeigen die Bilder immer echte Emotionen.“ Ihm ist wichtig, dass man gemeinsam möglichst viel Spaß hat bei den Shootings. 

Das gilt auch für die Workshops, die er anbietet. Dabei versucht er immer alle „in Action“ zu halten. Gemeinsam ist man dann zum Beispiel in der Kempener Innenstadt unterwegs. Bei den Basis-Workshops „Digitalfotografie“ mit der Spiegelreflex- oder spiegellosen Kamera stehen Themen wie Blende, Verschlusszeit, ISO-Wert, aber auch Bildstile auf dem Programm. Mittlerweile gehören recht frisch auch Workshops für Smartphones zu seinem Portfolio. 

„Ich rate dazu zu überlegen: Brauche ich eigentlich noch eine Kamera? Nehme ich die privat auch wirklich mit oder mache ich die Bilder eh mit dem Smartphone?“, sagt Sebastian Stengel. Und da er bisher kein Angebot in der Umgebung für einen entsprechenden Workshop kannte, hat er dies nun selbst geschaffen. 

Im Einzel-Coaching oder in der Kleingruppe von bis zu sechs Teilnehmerinnen und Teilnehmern gibt er gestalterische Tipps für bessere Fotos. Es geht um Perspektive, Drittelregel, Linienführung und Licht, aber auch die Technik der Kamera und Features sowie Apps, die Sebastian Stengel empfehlen kann. Für ihn ist das Fotografieren mit dem Handy nicht schlechter, nur anders. „Im Smartphone hat man teilweise eine begrenzte Technik, aber wenn ich weiß, wie es geht, kann ich damit umgehen. Weil die Linse kleiner ist, spielt der Umgang mit dem Licht zum Beispiel eine viel größere Rolle.“ Er versuche immer alles bildlich und einfach zu erklären. Daher können schon Foto-Fans ab zwölf Jahren an seinen Workshops teilnehmen. Ein paar kleine Tipps hat Sebastian Stengel für erlebe-Kempen-Leserinnen und -Leser bereits verraten (siehe Seite 10).

Er hat selbst zu Beginn seiner Foto-Karriere einen Kurs belegt, der ihn aber nicht wirklich weitergebracht hatte. Wichtig ist für ihn „Learning by doing“, aber auch das Abgucken von guten Beispielen in sozialen Medien. Er sagt den Workshop-Teilnehmern darum auch immer zum Ende: „Ihr müsst jetzt dranbleiben. Einfach immer wieder fotografieren, ausprobieren und sehen, wie es andere machen. Es gibt kein falsch oder richtig – macht es so, dass es euch Spaß macht.“ 

Tipps fürs bessere Bild

Ins rechte Licht gerückt

Wenn man Profis fragt, ist die „Goldene Stunde“ kurz nach Sonnenaufgang oder die „Blaue Stunde“ kurz vor Sonnenuntergang die perfekte Zeit fürs Fotografieren. In der Realität klappt das aber meistens nicht. Weil die Family im Urlaub dann doch nicht kurz nach Sonnenaufgang fotografiert werden will oder man beim Sonnenuntergang vielleicht schon entspannt beim Abendessen sitzt. „Oft reichen schon kleine Tricks, wie man aus dem Licht das Beste herausholen kann“, sagt Sebastian Stengel. Einfach mal ausprobieren und einen Schritt zurücktreten, in den Schatten hinein. Oder die „Models“ ein wenig drehen, damit sie nicht in die Sonne schauen und die Augen zukneifen. „Es gibt eigentlich bei jedem Licht eine gute Möglichkeit, ein Foto zu machen.“ Einfach in Bewegung bleiben und unterschiedliche Licht-Einfälle ausprobieren. 

Es hat „Zoom“ gemacht

Bei älteren Smartphones mit einer Kamera bedeutet Heranzoomen auf dem Display einfach nur, dass man den Ausschnitt verändert. So als würde man das Bild im Nachhinein am Computer beschneiden. Heute sind Smartphones dagegen mit mehreren Kameras und damit unterschiedlichen Brennweiten ausgestattet. So kann man durch das Zoomen die Optik des Bildes verändern. „Wenn ich Menschen mit dem Smartphone möglichst vorteilhaft fotografieren möchte, wähle ich immer den zweifachen Zoom und gehe im Zweifel eher einen Schritt zurück. So kann ich Verzerrungen vermeiden. Wenn ich nur ein Gesicht fotografieren möchte, dann kann auch eine stärkere Zoomstufe sinnvoll sein“, rät Sebastian Stengel. 

Perspektivwechsel

Die Perspektive zu wechseln, kann für spannendere Fotos sorgen. Hier macht es uns das kompakte Smartphone leicht. Man kann viel schneller die Position wechseln, den Arm strecken und von oben fotografieren oder auch von ganz unten. Dass man dank Display nicht durch den Sucher schauen muss, hat für Sebastian Stengel auch den Vorteil, dass man Kinder oder Haustiere leichter auf Augenhöhe fotografieren kann und das eigene Gesicht frei ist, sodass man Blickkontakt aufnehmen kann.  

Das große Ganze

Zu oft haben wir nur den Vordergrund im Fokus. „Wenn man Fotos mit dem Smartphone macht, ist in der Regel auch der Hintergrund scharf. Dann ärgert man sich nachher über die Mülltonne oder die Steckdose im Hintergrund“, so Sebastian Stengel. Daher sollte man das ganze Motiv im Auge haben. Oft sieht man auch viel Leerraum im oberen Bereich. „Ganz bewusst das Bild zu beschneiden, ist das Rezept und dabei sollte man auch die Bildränder beachten“, so Sebastian Stengel. Und es kann spannender sein, wenn man ein Motiv persönlicher und zu einer Erinnerung macht, indem man nicht die Familie vor dem Eiffelturm posen lässt, wie alle anderen, sondern die Familie im Erlebnis fotografiert. 

Die Drittelregel 

Wir neigen dazu, das Objekt in den Mittelpunkt zu rücken, dabei wirken die Fotos mit der Drittelregel professioneller. Dafür teilt man das Bild in neun Rechtecke und platzieren die zentralen Elemente auf die Linien und die Schnittpunkte. Bei den meisten Smartphone-Kameras kann man dafür ein Raster einblenden. 

Lieber ohne Blitz

Wenn Sebastian Stengel von Tribünen bei Konzerten oder Sportevents die Blitze der Smartphone-Kameras sieht, wundert er sich schon. Ausleuchten kann man das Geschehen auf der Bühne und dem Spielfeld nämlich mit so ein bisschen Licht nicht. Nur die direkten Objekte in der Nähe werden hell – meist sogar zu hell. Der Hintergrund bleibt dann oft völlig schwarz. Auf den Blitz kann man also meist verzichten. Stattdessen kann man mit der Belichtungszeit experimentieren. 

Fotos: Sebastian Stengel Fotografie