Schülerinnen und Schüler des Thomaeums haben einen Denkanstoß gegeben, sich näher mit den Hohenzollern zu befassen, die dem wichtigen Platz in St. Hubert seinen Namen geben.
Der Hohenzollernplatz ist in St. Hubert eine wichtige Adresse. Es ist die Anschrift des Heimatvereins, der Grundschule und des Forums. Jahr für Jahr findet dort die Bettlerszene zum St. Martinszug statt. Viele Autos, Radler, Fußgänger passieren ihn täglich. Die Wenigsten machen sich wohl Gedanken, nach wem dieser Platz benannt ist. Die Schülerinnen und Schüler der Klasse 9c des Gymnasiums Thomaeum aber schon. Im Geschichtsunterricht von Lehrerin Julia Dietz ging es um den Ersten Weltkrieg. Und da fragten sich die Jugendlichen – einige davon aus St. Hubert –, ob der Platz nach diesen Hohenzollern benannt wurde.
Ja, wurde er. Benannt wurde er 1913 nach dem deutschen Adelsgeschlecht der Hohenzollern, das nach der Erhebung Preußens zum Königreich von 1701 bis 1918 die preußischen Könige und ab 1871 bis zum Ende der Monarchie im November 1918 die deutschen Kaiser stellte. 1939, die Nationalsozialisten waren an der Macht, wurde er dann in Horst-Wessel-Platz umbenannt, nach einem zum
„Märtyrer der (nationalsozialistischen) Bewegung“ stilisierten SA-Sturmführer, wie man in der „Geschichte von St. Hubert“ von Friedhelm Weinforth nachlesen kann. Die Klasse wandte sich mit einem Brief an Bürgermeister Christoph Dellmans und brachte die Idee einer Umbenennung des Platzes oder einer Erinnerungstafel auf.
Kempen ist mit dem Hohenzollernplatz nicht allein. Einen solchen gibt zum Beispiel auch in Aachen, München oder Berlin. In einigen Städten wurden gleichnamige Plätze bereits vor längerer Zeit umbenannt. In Aachen stellte die Links-Partei im Jahr 2020 einen Antrag, der allerdings noch nicht politisch beraten wurde. Das Urteil der Aachener Linken fällt vernichtend aus: „Das deutsche Kaiserreich unter Führung Wilhelm II. hat Kolonien in Afrika errichtet und dort Völkermorde begannen. Das deutsche Kaiserreich trägt die Hauptschuld am Ausbruch des Ersten Weltkriegs mit seinen zerstörerischen Folgen für Millionen Menschen“, heißt es unter anderem. Es sei unbestritten, dass Teile der Hohenzollern den Aufstieg der Nationalsozialisten mitbereiteten und mit ihnen kollaborierten. „Diese Geschichte sollte nicht mit einem Namen für einen Stadtplatz geehrt werden.“
Zurück nach Kempen. Bürgermeister Christoph Dellmans bat seine Kulturamtsleiterin Dr. Elisabeth Friese, die auch für die Vergabe von Straßennamen zuständig ist, der Klasse zu antworten. Sie kam persönlich in die Geschichtsstunde und machte deutlich, dass eine Umbenennung wohl kaum Akzeptanz in St. Hubert finden würde, sie fürchte eher einen Sturm der Entrüstung. Ihr sei wichtig, einen Konsens zu finden, mit dem auch die „alteingesessenen St. Huberter“ leben können. Und sie erklärte nach Rücksprache mit dem Heimatverein die Hintergründe des Platzes: 1913 wurde St. Hubert selbstständig. Damals wollte man dokumentieren, dass St. Hubert zum Deutschen Reich gehört und hat den Platz daher nach dem Adelsgeschlecht benannt. „Das war 1913 eine andere Situation, als wir heute auf die Geschichte schauen“, so Friese. Heute sehen wir kritisch auf Kaiser Wilhelm II., den letzten Hohenzollern auf dem Thron, der die Deutschen in den Ersten Weltkrieg geführt habe und der zum Ende seines Lebens im Exil durchaus Nationalsozialist gewesen sei. Im Bewusstsein vieler älterer Menschen seien die Hohenzollern aber nicht nur negativ besetzt. Ältere könnten mit den Hohenzollern auch durchaus Positives wie die Reichseinigung verbinden, fügte Lehrerin Julia Dietz hinzu.
Für einige Schülerinnen und Schüler ist es sichtlich schwer hinzunehmen, dass gerade ein Platz, der an Kriegstote erinnert, nach Menschen benannt sei, die zum Beginn des Ersten Weltkriegs beigetragen haben.
Die Schülerinnen und Schüler hatten in ihrem Brief bereits die Möglichkeit einer Erläuterungstafel ins Spiel gebracht. Ein Kompromissvorschlag, den Dr. Friese dankbar aufnahm. Dazu könne man weiterführende Informationen online hinterlegen und mit einem QR-Code auf der Tafel schnell zugänglich machen. „Aber würde eine Umbenennung nicht viel mehr Aufmerksamkeit bringen?“, fragte eine Schülerin. Nachhaltiger, so Dr. Friese, sei eine Erläuterungstafel. Bei der Umbenennung habe man dann zwar die Auseinandersetzung geführt. Der Name wäre aber weg. Eine Abstimmung zum Ende der Stunde zeigte: Die Schülerinnen und Schüler sind mehrheitlich für die Erläuterungstafel. Aber mit ihrer Frage nach der Umbenennung haben sie die Diskussion eröffnet. Nun ist die Politik am Zug. Besprechen soll dies der Kulturausschuss in seiner Sitzung am 16. November, so Dr. Friese.
Text/Foto: Ulrike Gerards