Ein Großprojekt steht in den Startlöchern: Am 25. Februar wird der Ostergarten Kempen 2024 eröffnet. Eine Einladung an alle, sich mit sich selbst und seinem Glauben einmal auf ganz neuen Wegen auseinanderzusetzen.
Ulrike Gerards
Dass hier etwas Großes passiert, wird beim Betreten der Propsteikirche St. Mariae Geburt im Herzen der Kempener Altstadt schnell deutlich. Im hinteren Bereich von St. Marien fehlen die Bänke auf der linken Seite. Stattdessen deutet dort ein Gestell aus Traversen an, dass hier etwas Neues entsteht. Auch auf der rechten Seite fehlen die gewohnten Sitzbänke. Im Bereich des Chorumgangs, also hinter dem Altarraum, sind Holzkonstruktionen aufgebaut. Hier werden im Februar einzelne Stationen für einen sogenannten Ostergarten entstehen.
Ein Ostergarten bietet die Möglichkeit, die Passionsgeschichte Jesu vom Einzug in Jerusalem bis hin zur Auferstehung mit allen Sinnen zu erleben. Der Ostergarten Kempen schildert, was damals geschah. Zum Sehen und Anfassen. Hautnah und emotional. Und er will zeigen, was das für unser heutiges Leben bedeutet. Für alle, die Jesus einmal anders begegnen möchten, laden die Organisatoren ein.
In einigen deutschen Städten gibt es solche Angebote. In der Region Kempen-Viersen ist es der vierte Ostergarten. Nach erfolgreichen Projekten 2013, 2014 und 2023 in der Stadt Viersen ist nun Kempen zum ersten Mal Ort des Geschehens. Die Idee dazu hatten Andreas Bodenbenner, Gemeindereferent der Gemeinschaft der Gemeinden (GdG) Kempen/Tönisvorst, und Harald Hüller, Pastoralreferent in der Pfarrei St. Cornelius und Peter in Viersen-Dülken, die bereits die bisherigen drei Ostergärten in Viersen erfolgreich mit initiiert hatten.
WLAN für die Propsteikirche
Nun also Kempen. Und die altehrwürdige Propsteikirche stellte einige Herausforderungen an die Planer. Ein Architekt half bei statischen Fragen und das alte Gotteshaus wurde mit WLAN-Technik ausgestattet, um auch multimediale Elemente umsetzen zu können. Die Traversen und Holzkonstruktionen dienen dazu, mit Stoffen einzelne Räume abzutrennen. Darin entstehen dann die Stationen von Abendmahl und Garten Gethsemane über Verrat, Verurteilung und Gang nach Golgotha bis hin zu Tod und Auferstehung.
Verschiedene Gruppen aus der gesamten Gemeinschaft der Gemeinden (GdG) Kempen/Tönisvorst, aber auch begeisterte Helferinnen und Helfer aus der Umgebung haben sich zusammengefunden, um das Großprojekt mit ihren Ideen und ihrer tatkräftigen Unterstützung Wirklichkeit werden zu lassen. Bei einem Treffen Ende Januar ist die Energie und die Spannung zu spüren. Jede Gruppe hat sich intensiv mit ihrem Thema auseinandergesetzt. Es wird eifrig beraten und diskutiert. Was kann man machen? Was wird gebraucht? Wie kann man die Themen auch kindgerecht aufarbeiten?
Dorothee Welter und Birgit Hibbeler haben sich mit einer fünfköpfigen Gruppe mit dem Abendmahl befasst. „Im vergangenen Jahr waren wir schon mit unseren Familien in Viersen und haben dort gesehen, was in einem Ostergarten möglich ist. Wir haben uns aber auch überlegt, wie wir hier einen eigenen Fokus setzen können“, erzählt Dorothee Welter. Frieda Neeten hat sich mit ihrer Gruppe mit dem Verrat befasst. Kein leichtes Thema, es wurde viel diskutiert. Sie ist vielfältig in der Kirchengemeinde engagiert und freut sich, dass dieses Projekt die Möglichkeit gibt, den eigenen Glauben wieder ganz neu zu erfahren.
Für alle Sinne
Bald wandeln also die Besucherinnen und Besucher über Wege durch diesen Ostergarten und erleben Geschichte mit allen Sinnen. Man sieht, hört, spürt, was vor rund 2000 Jahren geschah. Mit zum Orga-Team gehört auch Nina Odenius. Die Journalistin ist blind und begleitet den Rundgang an diesem Abend im Januar mit Ratschlägen, damit der Ostergarten inklusiv ist und auch Menschen mit Sehbeeinträchtigung ein Erlebnis bietet. An einigen Stellen könne man noch etwas anpassen oder Stationen erklären für alle, die nicht sehen können, was dort passiert. Aus ihrer Sicht gibt es schon sehr gute Ansätze. „Praktische Elemente wie die Fußwaschung, das Einschlagen von Nägeln oder einen engen Raum können alle Menschen sehr gut erleben“, findet sie. Am Samstag, 23. März, ist eine spezielle Führung für sehbehinderte und blinde Menschen geplant.
Das schönste Erlebnis, so versprechen es die Organisatoren, biete der Ostergarten Kempen im Rahmen einer Führung. Geschulte Team-Mitglieder erläutern dann Hintergründe, zeigen Zusammenhänge auf und weisen auf das eine oder andere besondere Detail hin. Zudem sei man in einer Gruppe unterwegs, auch wenn man sich als Einzelperson für eine Führung anmeldet. Gemeinsam durch Jerusalem zu schlendern oder am Kreuz zu stehen, sei einfach interessanter. Wobei die Gruppen immer überschaubar bleibe. Die Führungen dauern rund 60 Minuten und eigenen sich für alle Altersgruppen ab dem Vorschulalter.
Auf eigene Faust entdecken
„Hier in der Mitte der Kempener Altstadt bot es sich auch an, Angebote für Menschen zu schaffen, die spontan vorbeikommen, auch ohne vorher vereinbarten Termin. Daher haben wir offene Besuchszeiten vorgesehen. Die Texte zu den einzelnen Stationen werden auch als Audio-Dateien zur Verfügung gestellt, die man sich per QR-Code aufs eigene Smartphone laden kann“, erklärt Andreas Bodenbenner. Dank der erwähnten WLAN-Ausstattung geht das schnell und unkompliziert.
Aus Viersen ist Peter Werminghaus nach Kempen gekommen, um am Ostergarten mitzuwirken. Schon im vergangenen Jahr war er dabei. „Ich fand es ungeheuer inspirierend“, berichtet er. „Du kannst Ostern nur erleben, wenn du Karfreitag durchlebt hast.“ Diesen Satz habe er mit dem Ostergarten auf einmal ganz neu erfahren. 18 Führungen habe er mitgemacht und die Begeisterung über jede einzelne, über die vielfältigen tollen Begegnungen ist ihm immer noch anzumerken.
Diese Begegnungen können nach der Führung durch den Ostergarten gesellig ausklingen. Die Traversen im hinteren Bereich stehen bereit, um eine kleine gemütliche Cafeteria einzurichten, wo man im Anschluss bei Kaffee, Tee und Keksen ins Gespräch kommen kann.