Ulli Potofski trifft: Andreas Camps

Ulli Porofski: Ich bin zum ersten Mal in meinem Leben in einem Beerdigungsinstitut und ich bin zunächst mal überrascht, welche Optik mich hier empfangen hat. Herr Camps, wann haben Sie sich entschlossen ein Beerdigungsinstitut so aufzubauen, wie ich es jetzt vorgefunden habe?

Andreas Camps: Das Thema ist vor 20 Jahren gewesen, als sehr viele Friedhöfe im Umkreis die Pro- blematik hatten, dass die Kapellen und Verabschie- dungsräume in die Jahre gekommen sind und einige in schlechten Zuständen. Mit den Gedanken sind wir durch ganz Deutschland gefahren und haben uns relativ neue Bestattungshäuser angeschaut, und durch Gespräche aus den Baufehlern gelernt, die die Kollegen damals so ausgeführt hatten, und daraus das Bestattungshaus Camps hier in Grefrath gebaut.

Mir ist aufgefallen, dass es wohnlich wirkt. Ist es wichtig, dass man die Trauernden abholt in einer fast familiären Atmosphäre? 

Ja. Früher war auf den Bauernhöfen der Familienverbund sehr groß. Dort wurde Leben geschenkt, es fanden Geburten statt und auf den Höfen wurde gestorben. Zur Verabschiedung wurde die Person in der guten Stube auf den Bauernhöfen für die Tage bis zur Beerdigung aufgebahrt. Letztendlich ist das Thema etwas aus der Gesellschaft verdrängt worden. Es hängt immer ein grauer Vorhang vor allem, was den Tod umgibt. Mittlerweile wird das Thema Tod und Trauer durch den Wandel in der Bestattungskultur wieder weiter mitten ins Leben gerückt. 

Ich habe immer noch den Eindruck, es ist ein Tabuthema, dass die Menschen nicht gerne darüber sprechen. Oder täusche ich mich da? Ist es so, dass mittlerweile mehr Menschen im Vorhinein darüber sprechen und sich Gedanken machen, wie möchte ich mal beerdigt werden? Oder wie werde ich mich von meinen Eltern verabschieden?

Das Tabuthema hat sich gewandelt und wir sind mittendrin im Wandel. Jeder weiß, dass er diesen Weg gehen muss, das Thema wird trotzdem gerne verdrängt, weil es endgültig ist und man Ängste  damit verbindet. Viele Ältere, aber auch Jüngere machen sich trotzdem Gedanken und fragen sich: Was ist nach meinem Ableben? Wie möchte ich meinen letzten Weg gestalten? Das sollen meine Kinder nicht entscheiden müssen. Wie regeln wir das? Daher gibt es mittlerweile viele Menschen und Familien, die sich entschließen, eine Bestattungsvorsorge abzuschließen. Damit übertragen sie dem Bestatter zugleich die Bestattungsfürsorge, damit diese Wünsche nach dem Tod umgesetzt und ausgeführt werden.

Stichwort Sterbegeldversicherung – machen das eigentlich viele?

Teilweise. Viele haben eine Sterbegeldversicherung oder sie legen für ihr Ableben Gelder auf Treuhandkonten zurück.

Könnte ich theoretisch mit 70 noch eine Sterbegeldversicherung abschließen? 

Ja. Das ist überhaupt kein Problem. 

Gibt es Menschen, die kerngesund sind, so wie ich, 70 Jahre, und zu Ihnen kommen und sagen: In 10/15 Jahren – wer weiß wann – ist es bei mir soweit, kann ich mich darüber mal unterhalten?

Es sind viele ältere und auch jüngere Menschen, die sich mit dem Thema auseinandersetzen. Weil das Thema Tod in unterschiedlichen Bereichen in der Presse behandelt wird, wenn es zum Beispiel um das Thema Friedhöfe geht, um die Konstellation der Grabstellen oder die Entwicklung bei den Friedhofsgebühren. Die Menschen kommen zu uns, um sich zu erkundigen, um ihre Wünsche jetzt festzulegen. 

Es ist zwar immer blöd, im Zusammenhang mit Sterben oder Tod über Geld zu sprechen, aber es ist nun mal etwas sehr Fundamentales in unserem Leben. Kann ich also theoretisch schon jetzt überlegen, was es kosten wird, wenn ich einmal beerdigt werde? Können Sie da auch preiswerte Alternativen anbieten?

Ja. Die Möglichkeiten bestehen und sind ganz klar in einem persönlichen Gespräch herauszufiltern.  

In meiner Heimatstadt gibt es einen Friedhof, der ist komplett auf Schalke 04 zugeschnitten. Da liegen nur Schalke-Fans, es gibt ein Fußball-Tor, Schalke-Fahnen wehen da. Überall gibt es Erinnerungen an Spieler, was halten Sie als Bestatter von solchen Friedhöfen?

Ich finde es gut, wenn es solche Möglichkeit auf den Friedhöfen gibt. Wir selbst haben vor gut einem Jahr, mit einer jungen Dame, die nur bedingt mit dem Thema vertraut war, eine Praktikumsarbeit in Auftrag gegeben, dass sie aus ihrer Sicht mal herausstellt, wie sie sich ihren Friedhof der Zukunft vorstellen könnte. Sie hat den Friedhof einfach einmal auf den Kopf gestellt und vieles in Frage gestellt. Das war super. Das sind Themen, wie die Frage: Warum gibt es kein Spielgerät auf dem Friedhof?

Richtige Frage. 

Daraus entwickelte sie die Idee einer Arche Noah. Warum gibt es auf einem Friedhof keine Bezeichnungen von Bäumen, Tieren oder Vögeln, die in den Baumkronen leben? Warum gibt es keine überdachten Sitzplätze, wo ältere Leute sitzen und sich mal unterhalten können? Gut wäre auch, wenn dort ein Kaffee-Automat vorhanden wäre. Da hat sie ja Recht. Warum sind da keine Insektenhotels, Schöpfbrunnen für Tiere, Blumenwiese, Streuobstwiese, Waldbestattungen und Ewigkeitsbrunnen auf den Friedhöfen? Ich war erstaunt, wie eine junge Frau, die gar nichts mit dem Themenbereich Friedhof derzeit zu tun hat, uns teilweise ein Wissen und Gedanken mitteilte, wir waren sprachlos. Es gibt so viele Punkte, die auf dem eigenen Friedhof in der Gemeinde umzusetzen sind, sodass der Friedhof lebt.

Das ist vielleicht einfach das Naive … 

Einfach mal querdenken und das Konzept Friedhof, was vielen Gemeinden zurzeit Sorgen und Probleme bereitet, zu überdenken und nicht voreilige Beschlüsse fassen. Und so zu überdenken, dass man dem Friedhof vor Ort eine Chance gibt, um den Friedhof für die Zukunft zu sichern. 

Wir haben im Vorfeld über Waldfriedhöfe philosophiert. Was sind Ihre Gedanken dazu?

Das ist ein guter Gedanke. Es geht den meisten Familien um Pflege und Kosten, die mit dem Friedhof verbunden sind. Der Friedhof ist eine Sammelstelle, eine Kommunikationsstelle, ein Treffpunkt für Jung und Alt.

Ich habe das Gefühl, sie sind ein Kämpfer dafür. 

Ja, ich stehe hier für viele Familien dafür ein und versuche das Thema Friedhof der Zukunft umzusetzen, um den Friedhof für die Zukunft zu sichern, auf Wunsch von vielen Familien und Personen.

Ich war neulich bei einer Bestattung, da hat man Karnevalsmusik gespielt zwischen den Reden. Ist das legitim für Sie?

Ja. Das gibt es hier auch. Da kommt es vor, dass Familienerinnerungen, Bilder aus dem Leben gezeigt werden und warum sollen nicht die Lieblingslieder der Person gespielt werden? Es zeichnet doch auch einen Menschen persönlich aus, seine Besonderheit.

Also eigentlich ist alles erlaubt. Derjenige, der uns verlässt, kann hinterlassen, ich würde bei meiner Bestattungsfeier gerne fünf Lieder von den Beatles hören, das geht?

Ja. Wir hatten eine Trauerfeier mit dem Trauerredner Markus „AJ“ Lunau, der Mann mit dem Hut, und im Anschluss haben sämtliche Trauergäste stehend applaudiert für den Verstorbenen.

Ich finde das richtig. Und was ich persönlich immer sage, ich finde auf Beerdigungen oder zumindest danach, sollte man viel lachen. Das ist eine gute Methode, um mit dem Weggehen umzugehen, sich zu erinnern an schöne Momente. 

Wissen Sie, wenn sich der Kreislauf des Lebens schließt, wir haben die Taufe gefeiert, Kinderkommunion, 18. Geburtstag, Hochzeit, Silber- und Goldhochzeit und weitere besondere Stationen im Leben, warum darf der Tod nicht auch wie eine Art Hochzeit gefeiert werden mit einem anderen Anlass? Die Person ist den Weg vorausgegangen, diesen Weg müssen wir alle einmal gehen, jeder Mensch. Das Lachen, das Weinen, es gehört alles dazu. Und irgendwann später kommt der Moment einer dankbaren, herzlichen liebevollen Erinnerung. Somit sind alle Wünsche, Emotionen erlaubt. 

Ich hatte mal einen Lehrmeister, der hieß Rudi Carrell und der hat zu mir gesagt: „Wenn du eine gute Show machen willst, dann musst du die Leute, wenn sie so richtig lachen wollen, auch einmal zum Weinen bringen. Und ich finde, da ist eine ganze Menge Wahrheit drin. Was mich persönlich noch interessiert. Wenn man jetzt jeden Tag mit dem Tod beruflich zu tun hat, weiß man dann das Leben noch einmal ganz anders zu genießen?

Man ist schon nachdenklicher in unterschiedlichen Situationen. Man nutzt mehr die Momente, um über viele Dinge nachzudenken. Als Bestatter trägt man von ganz vielen Familien wie kleine Nagelstiche im Rücken mit. Bestatter ist nicht nur Beruf, es ist auch ein großes Stück Berufung. 

Wie sind Sie es geworden? Wollten Sie das schon immer werden? Oder lag es in der Familie?

Es sind Schlüsselerlebnisse in jungen Jahren in der eigenen Familie, früh den Bruder aus gesundheitlichen Gründen verloren und die Schwester durch einen schweren Verkehrsunfall. Damals waren die Räume auf den Friedhöfen einfach eine Katastrophe. Ich hatte es nie verstanden, warum es nicht liebevoller, herzlicher mit mehr Respekt und Achtung ausgeführt wird.

Ist Bestatter ein klassischer Lehrberuf?

Ja, mittlerweile schon. 

Wie sieht es aus mit dem Nachwuchs?

So weit sieht es gut aus. Es gibt immer Bewerber. Aber es muss auch eine Berufung sein. Sie sind Bestatter und das im Leben 24 Stunden. 

Abschließend noch, was machen Sie, wenn Sie am Wochenende mal richtig Zeit haben?

Ich nutze die Zeit und mache viel in der Natur. Ich bin selber Jäger und liebe die Natur. Zugleich arbeitete ich im Tischlerhandwerk. Es ist gut, sich in Ruhephasen mit etwas ganz anderem zu beschäftigen, um wieder die Kraft zu bekommen, für die Familien und die Unterstützung in der schwierigen Zeit.

Jetzt wirklich abschließend, und das ist jetzt die schwerste Frage, die ich stelle: Gibt es ein Lied, das für Sie so etwas wie ein Lebensmotto ist?

Was ich sehr gerne höre, sind Lieder von Whitney Houston aus dem Film Bodyguard. Diese Lieder bringen mich immer gerne zum Nachdenken. 

Fotos: Patrick van der Gieth