Die Kempener Ciclisti sind eine Gemeinschaft begeisterter Rennradfahrer. Mitmachen darf ausdrücklich jeder.
Es sind echte Frühlingsboten: Ab März sieht man immer mehr Rennradfahrer in ihren neonhellgrün-schwarzen Trikots über den Burgring und stadtauswärts pesen, man hört das Klicken der Gangschaltung und das Surren im Leerlauf – die Kempener Ciclisti, eine locker organisierte Gruppe radsportbegeisterter Kempener, haben Saison!
Wer auf der Website der Ciclisti landet, der findet direkt als erstes den Menüpunkt „Mitradeln“. Das ist kein Zufall, denn diese Radgruppe ist ausdrücklich offen für Interessierte. Dabei spielt es keine Rolle, ob man Rennrad-Anfänger ist oder schon jahrzehntelang seine Kilometer abreißt. „Wir haben Leute dabei, die fahren schnell, und wir haben welche, die fahren ein wenig gemütlicher“, sagt Annette Feldmann, selbst seit einigen Jahren bei den Ciclisti dabei. „Ich habe einfach gemerkt: Radfahren in der Gruppe macht bedeutend mehr Spaß.“
Für Feldmann ist es ein wesentliches Argument, dass die Ciclisti eben kein Verein im herkömmlichen Sinn sind, mit festen Regeln, Mitgliedsbeiträgen und verpflichtenden Trainingseinheiten. „Manche von uns melden sich ein paar Wochen nicht. Aber wenn an einem Samstag im Mai das Wetter schön ist, dann ist man trotzdem willkommen und muss sich nicht dafür rechtfertigen, dass man keine Lust hatte, als es windig war oder geregnet hat.“
Natürlich gibt es bei den Ciclisti sehr ambitionierte Fahrer mit fünfstelligen Jahreskilometerzahlen und austrainierte 18-Jährige mit fantastischen Rädern. Es gibt aber auch solche, die zwar leidenschaftlich fahren, aber bestenfalls gelegentlich. Es sind Youngster dabei und Oldies, Frauen und Männer, Geschäftsleute und Auszubildende. Eine bunte Mischung mit einer gemeinsamen Leidenschaft. Die Organisation der Ciclisti läuft über die WhatsApp-Gruppe, die mittlerweile mehr als 100 Mitglieder hat. „Morgen, 10:30 Uhr, Kreisverkehr Krankenhaus“ schlägt einer vielleicht vor oder „Samstag, 10:00 Uhr, Siebengewalds-Runde“ – und dann kommt am Ende, wer eben kommt.
Selbst in den Wintermonaten fand sich regelmäßig eine Kleingruppe, die gemeinsam in die Pedale getreten hat. Aber natürlich beginnt jetzt im Frühling die Saison. Bei gutem Wetter kommen bei Ausfahrten schon mal 15 Fahrer und mehr zusammen. Und wenn alle das schwarz-hellgrüne Trikot anhaben, das sich jeder echte Ciclisti gekauft hat, macht das optisch schon was her. Diese Trikots sieht man dann nach getaner Tour auch an den Bistrotischen vor dem Falko auf dem Buttermarkt. Denn die „Nachbesprechung“ der Tour bei Apfelschorle oder Bier gehört einfach dazu.
Einen Trainer haben die Ciclisti nicht, wohl spaltet man sich manchmal in eine etwas gemächlicher fahrende „Cappuccino-Runde“ und die schnellere Fraktion – die einen fahren mit ungefähr 24, die anderen ungefähr 30 Stundenkilometern durchschnittlich. „Aber“, und das ist Annette Feldmann wichtig, „das ist alles nicht in Stein gemeißelt und immer abhängig von der Tagesform – und zwar von der des langsamsten Fahrers. Es wird gemeinsam gefahren.“
Mal geht es Richtung Straelen, es gibt die „Issumer Runde“, und die Tour über Venlo und Velden ist nicht nur wegen der tollen Radel-Bedingungen in den Niederlanden so beliebt, sondern auch, weil man mit der Fähre über die Maas muss – jedes Mal ein kleines Abenteuer und irgendwie was Besonderes.
Die Ciclisti sind zurecht stolz auf ihre Organisation. Und sie wissen, dass sie ihre Gruppe dem mittlerweile verstorbenen Kempener Peter Falk zu verdanken haben. Der nämlich hatte vor gut einem Jahrzehnt das Rennradfahren für sich entdeckt, um etwas für seine Gesundheit zu tun. Da er meist alleine oder in Kleinstgruppen geradelt ist, wollte er sich mit ein paar Freunden organisieren, und nach einigen Anlaufschwierigkeiten, weitere Mitstreiter zu finden, wurden die Ciclisti immer mehr – wesentlich für die Entwicklung war die Eröffnung des Bikewear-Ladens Kempuni in der Kempener Innenstadt.
Die Ciclisti führen ihre Gruppe nun in Peter Falks Sinn weiter – mit der Betonung auf Gemeinschaft und Spaß, ohne Vereinsmeierei und Statuten. Das spart Stress und Diskussionen, und glänzend organisiert ist man dennoch. Wären die Ciclisti ein Verein, dann wäre Peter wohl der Vorsitzende, Franjo der Kassenwart und Annette so etwas wie die Pressewartin.
Der Rest verwaltet sich selbst und ist so unkompliziert wie möglich. Helm auf, rauf aufs Fahrrad, rein in die Klickpedale und raus aus der Stadt. Die Touren sind meist zwischen 50 und 120 Kilometern lang, und je länger es abends hell ist, desto höher wird auch die Trainingsfrequenz. Dann gibt es neben den Wochenendausfahrten auch die beliebten Feierabendrunden. Darüber hinaus nehmen einzelne Mitglieder im Ciclisti-Trikot auch an Radrennen wie dem „Giro Münsterland“ teil oder bei „Rund um Köln“ – oder einfach an möglichst vielen der Radtouristikfahrten, jenen Jedermann-Rennen, bei denen niemand die Zeit stoppt.
Vor ungefähr vier Jahren haben die Ciclisti das 100. Mitglied begrüßt. Es gab ein kleines Willkommensgeschenk, einen netten Plausch im Geschäft Kempuni und eine kurze und knackige Einweisung, wie es bei den Ciclisti zugeht: „Locker, langsam oder schnell, hinterher ins Falko.“ Mehr muss man wirklich nicht wissen. Ab aufs Rad und los!
Text: Michael Lessenich, Fotos: Arno Planken
