Mit viel Herz für Tier und Natur

In Zeiten, in denen oft vom „Höfesterben“ die Rede ist, ist es eine fast unglaubliche Geschichte. Auf dem Steveshof in Hüls haben Finn und Stephie Bönniger die Familientradition Landwirtschaft wieder aufleben lassen – und wie! Ein Ausflug in eine Bio-Landwirtschaftswelt wie aus dem Bilderbuch.

Kurz vor 9 Uhr. Gleich gehen die Türen des Hofladens des Steveshofs an der Krüserstraße 22 in Hüls für die Kunden auf. Gerade werden noch die Kindereinkaufswagen und eine Wasserschale für Vierbeiner rausgestellt. Hier wird an jeden gedacht. Drinnen werden Gemüse-Regal, Fleisch- und Käsetheke vorbereitet. „Viele wissen gar nicht, dass wir als Vollsortimenter für den gesamten Wocheneinkauf alles anbieten“, erzählt Finn Bönniger beim Gang durch die Regale, vorbei an Bio-Reinigungsmitteln, Nudeln zum Selbstabfüllen, ausgewählten Weinen und noch vielem mehr. Auch Vegetarier und Veganer gehören zur Kundschaft. Aber eigentlich ist es die besondere Tierhaltung und damit die gute Fleischauswahl, für die der Hof bekannt ist und Kunden nach Hüls lockt, auch aus Kempen, schließlich ist man aus der Altstadt mit dem Auto in guten zehn Minuten dort.

Finn und Stephie Bönniger vor dem Hofladen.

Finn und seine Frau Stephie Bönniger haben auf dem Hof, der seit Generationen im Familienbesitz ist, die Landwirtschaft wiederbelebt. „Die Landwirtschaft hier wurde in den 70er Jahren aufgegeben. Mein Vater züchtete noch Galloway-Rinder, aber eher als Hobby“, erklärt Finn Bönniger. Beim Gang durch die schön gepflegte Hofanlage erzählt er, dass er zunächst eine Schreiner-Ausbildung und dann ein Landwirtschaftsstudium absolviert hat.
Auf den Wiesen neben dem Hof, bei den Hühnern und Hähnen, ist es noch ruhig. Doch nun öffnen sich die Klappen und rund 300 Masthähnchen, die im mobilen Hühnerstall die Nacht verbracht haben, verteilen sich schnell auf der großen Auslauffläche und picken vor sich hin. Die Legehennen sitzen noch in ihrem Nest, wo sie im Dunkeln und in Ruhe die Eier legen. Einmal in der Woche werden die Mobile umgesetzt. „Das hat mehrere Vorteile“, erklärt der Landwirt. „Die nährstoffreichen Hinterlassenschaften verteilen sich gleichmäßig auf der Wiese. Der Kot sammelt sich nicht an, die Tiere sind gesünder und brauchen keine Medikamente. Der Boden bleibt immer grün, sodass die Hühner immer etwas zu picken haben.“ Dadurch, dass rund 20 Prozent der Nahrung aus Gras besteht, sei das Eigelb schmackhaft und habe eine schöne Farbe. Die Masthähnchen sind eine langsam wachsende Rasse. So bleiben die Tiere fit und das Fleisch habe eine bessere Qualität.
Ähnlich ist es bei den Rindern aus eigener Haltung. Wenige Autominuten sind es vom Hof bis zum Hülser Bruch. Hier im Naturschutzgebiet grast eine der Herden Galloway-Rinder in Ruhe vor sich hin. Rund 100 Rinder hält der Hof insgesamt. Diese robuste Rasse mit ihrem gelockten Fell steht das ganze Jahr draußen und fühlt sich dort bei kalten Wintertemperaturen besonders wohl. Auch die Geburt eines Kalbs passiert hier natürlich ohne menschliches Zutun. Auf dieser Weide stehen die Muttertiere mit einem Zuchtbullen und ihrem Nachwuchs, der neun bis zehn Monate bei der Mutter bleibt. Alle 14 Tage wird ein Rind geschlachtet. Das geschieht durch einen Fachmann per Weideschuss direkt auf der Weide. Das erspart dem Tier den stressigen Transport zu einem Schlachthaus. Für Aufzucht und Pflege der Tiere, das merkt man schnell, wenn man Stephie und Finn Bönniger zuhört, braucht es eine Menge Fachwissen. Und dass man hier mit dem Herzen bei der Sache ist, wird ebenso schnell deutlich.
Zurück zur Krüserstraße 22: Die „Schatzkammer“ des Hofes ist übrigens im Obergeschoss über dem Hofladen. Dort ist das Kühlhaus, in dem das Rindfleisch drei Wochen lang reift, damit es geschmackvoll, zart und saftig ist. Solches Fleisch wird auch als „Dry Aged“ angepriesen, hier ist es das „normale“ Verfahren.
Eine weitere Besonderheit auf dem Steveshof ist die Aufzucht der sogenannten Bruderhähne. Die Praxis des Tötens von männlichen Küken in der Legehennen-Zucht sorgte jüngst für Diskussionen und wurde verboten. Diese Tiere sind aber in der industriellen Produktion weiterhin wertlos, weil sie nicht schnell genug wachsen. Doch auf dem Steveshof hat man sich für die Aufzucht dieser Tiere entschieden. „Das Fleisch der Bruderhähne ist besonders schmackhaft und lässt sich wunderbar im Ofen schmoren oder kochen. Alternativ werden fertige Gerichte vom Bruderhahn im Glas angeboten“, sagt Finn Bönniger.
Im Obergeschoss gibt es nicht nur eine Metzgerei, sondern auch eine Küche. Hier wird nach dem Motto „Zero Waste“ und „From nose to tail“ alles verarbeitet, was der Koch in die Finger bekommt. „Und ganz nebenbei nehmen wir unseren Kunden das zeitaufwendige Kochen ab, wer macht heute noch selbst einen Fond? Eher weniger Menschen“, sagt Finn Bönniger. So findet man unter dem Label „liebevoll hausgemacht“ zum Beispiel Chili con Galloway, Hühnerfrikassee oder Bruderhahn Tandoori, aber auch Vegetarisches und Veganes wie Linsencurry oder Tomatensuppe im Regal des Steveshofs. In den Frischetheken findet man besondere hausgemachte Wurstwaren sowie frische Antipasti und Feinkost. Neben vegetarischen Salaten werden einige Spezialitäten vom Rind, wie die feine Galloway Leberpastete, angeboten. Das Sortiment wird ständig verfeinert und erweitert, daher lohnt es sich, die Homepage sowie Instagram und Facebook im Blick zu halten oder gleich den Newsletter zu abonnieren. Dort erfährt man, wenn es neue Produkte gibt oder was gerade geschlachtet wurde. „Wenn man etwas Besonderes möchte, empfehlen wir immer vorzubestellen. Vor Weihnachten gilt das natürlich besonders“, so der Landwirt.
Bio-Produktion hat ihren Preis. Das Futter für die Hühner zum Beispiel wird nicht importiert, sondern stammt aus heimischem Anbau. Viele Menschen sind auf dem Steveshof beschäftigt und müssen bezahlt werden. Ökologisch und sozial wirtschaften – das ist das Ziel von Finn und Stephie Bönniger. „Wir haben mit unserem Konzept bereits viele treue Stammkunden gewinnen können, die die Qualität schätzen“, sagt Finn Bönniger.

Der Hofladen hat viel zu bieten.

Zurück im Hofladen endet der Rundgang. Der ist nicht etwa nur neugierigen Journalisten und Fotografen vorbehalten. Der Steveshof ist Demonstrationsbetrieb für Ökologischen Landbau, ein Programm des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Kleine und große Besucher können sich hier zeigen lassen, wie Ökolandwirtschaft funktioniert.
Text: Ulrike Gerards/Fotos: Patrick van der Gieth

Kontakt

Steveshof Landwirtschaft & Hofladen, Krüserstraße 22, 47839 Krefeld-Hüls, Tel. 02151 735260, E-Mail: info@steveshof-hofladen.de.
Öffnungszeiten: Mittwoch bis Freitag, 9 bis 18.30 Uhr Samstag, 9 bis 13 Uhr