Am 28. Juni öffnet der THW-Ortsverband Kempen seine Türen am Industriering Ost 23 für Besucher. Erlebe Kempen hat vorab vorbeigeschaut und erfahren, wie gut die Kräfte dort auf ihre Einsätze vorbereitet sind – in der analogen und der digitalen Welt.
Ulrike Gerards
Die Fahrzeughalle am Industriering Ost 23 ist voll mit schwerem Gerät, die Lkw bis unters Dach vollgeladen mit Werkzeugen. Atemschutzgeräte, Pumpen und Wagenheber und noch mehr. Ein Stromerzeuger steht bereit. Wer jetzt an Feuerwehr denkt, irrt. Die Lkw sind nicht rot, sondern blau. Hier hat das Technische Hilfswerk, kurz THW, in Kempen seinen Sitz. „Die Feuerwehr ist immer sehr schnell da, dafür können wir deutlich länger im Einsatz sein“, bringt es Lars Tutt auf den Punkt. Zusammen mit Daniel Ingensiep, dem stellvertretenden Ortsbeauftragten, Holger Magunski und Justus, der in der Jugend aktiv ist, gibt er für erlebe Kempen einen Einblick in die Arbeit.
Wenn Straßen unpassierbar sind, Gebäude einzustürzen drohen oder Wasser- und Stromversorgung nicht funktionieren, ist das THW gefragt. Es ist die ehrenamtliche Einsatzorganisation des Bundes. Nur auf einigen höheren Ebenen gibt es angestellte Mitarbeitende, die meisten lassen sich in ihrer Freizeit ausbilden, machen Schulungen und Übungen und sind im Notfall auch in gefährlichen Situationen da, um zu helfen. Im Kempener Ortsverband gibt es nur Ehrenamtliche. „Wenn wir Schulklassen hier herumführen, fallen die aus allen Wolken, wenn die hören, dass wir hier kein Geld bekommen“, erzählt Daniel Ingensiep schmunzelnd.
„Jeder Ortsverband hat eine Universalgruppe, die Bergungsgruppe“, erklärt Lars Tutt. Für größere Lagen kommen Fachgruppen dazu. In Kempen ist das die Fachgruppe N, für Notversorgung und Notinstandsetzung, die eine grundlegende Versorgung sicherstellen kann. Die Kempener sind eingebettet in ein bundesweites Netz von 669 Ortsverbänden. Jeder hat seine Spezialfähigkeiten. Radlader oder Drohnen, mobile Werkstätten bis hin zur Verpflegung durch eine große Küche – das alles ist in der Nähe vorhanden und kann schnell angefordert werden. Alle Einheiten sind gleich aufgebaut, Fahrzeuge und Materialien standardisiert. So kann man sich gut austauschen, erklärt Daniel Ingensiep, der seit 26 Jahren beim THW dabei ist.
Rund 88.000 THW-Helferinnen und Helfer sind es in Deutschland, 45 davon in Kempen, ganz verschiedene Menschen. „Wir haben hier Aufgaben für jeden, der sich einbringen möchte“, sagt Daniel Ingensiep. Zunächst absolviert man eine Grundausbildung. Danach gibt es zahlreiche Möglichkeiten, sich weiterzubilden. Das reicht vom Lkw-Führerschein bis hin zur Ausbildung zum Baufachberater. Ein solcher wird gerufen, wenn ein Haus einsturzgefährdet ist. „Als vor drei Jahren ein Auto in die Fahrschule am Ring gefahren ist, war ein Baufachberater vom THW dort. Als er festgestellt hat, dass das Haus einsturzgefährdet ist, haben wir es abgestützt“, erinnert sich Daniel Ingensiep. Auch weit über Kempens Grenzen hinaus sind die Helfer im Einsatz. Einige Tage pumpten zum Beispiel mehr als 30 Kräfte aus Kempen im Zuge der Ahrtal-Katastrophe in der Region Aachen Wasser.
Entstanden ist das THW für den Zivilschutz. Im Verteidigungsfall sollte die Organisation die Auswirkungen auf die Bevölkerung möglichst klein halten. Lange lag nach dem Ende des Kalten Krieges der Schwerpunkt auf dem Katastrophenschutz und der Hilfe im Ausland. Nun ist das Thema Kriegsgefahr wieder in den Fokus gerückt. Konzepte und Materialien wandeln sich. Auch hybride Kriegsführung wird dabei bedacht. Dabei geht es neben klassischen Militäreinsätzen auch um Cyberangriffe oder Propaganda in sozialen Netzwerken. Jüngst ist der erste virtuelle THW-Ortsverband gegründet worden. Zum Virtual Operations Support Team, kurz VOST, gehören 73 Helferinnen und Helfer, die in ganz Deutschland verteilt sind, im Netz nach lagerelevanten Informationen suchen und diese so aufarbeiten, dass sie für die Kräfte vor Ort nutzbar sind. Lars Tutt arbeitet seit sieben Jahren dort mit. Die Einsätze sind ganz unterschiedlich. Große Lagen wie Hochwasser gehörten ebenso dazu wie ein gesunkener Fischkutter vor Büsum. Danach machten sich die Digital-Kräfte auf die Suche nach Stellen, an denen das ausgetretene Öl an Land kam. Dafür werden zum Beispiel soziale Medien nach Meldungen durchforstet.
Zurück in die analoge Welt: Das THW ist hier vor Ort gut aufgestellt. Allein durch die Jugendabteilung mit aktuell 17 Nachwuchskräften rücken immer wieder motivierte und gut ausgebildete junge Menschen nach. So wie Justus, der seit sieben Jahren dabei ist. Ihm gefällt das THW richtig gut. „Hier trifft man viele Leute, mit denen man gut zusammenarbeiten kann, und man macht eigentlich immer was, was Spaß macht.“ Angeleitet von den Großen kommen Geräte und Werkzeuge zum Einsatz, die auch im Ernstfall gebraucht werden, wie Hebekissen, Hydropresse oder Greifzug. Aber auch Freizeiten, Fahrten und viel Spaß gehört dazu. Mädchen und Jungen von 10 bis 17 Jahren können in der THW-Jugend Mitglied werden.
Oft ist THW Familiensache. Manchmal kommen Kinder durch ihre Eltern, manchmal aber auch umgekehrt. So erging es zum Beispiel Holger Magunski, der nun seit zwei Jahren dabei ist. Manchmal kommen auch Quereinsteiger dazu. Zwei Anwärter bereiten sich gerade auf die neue Aufgabe vor.
Nicht nur in der Jugend, auch bei den Erwachsenen steht Geselligkeit und Kameradschaft hoch im Kurs. Man muss sich gut verstehen, wenn man im Einsatz einander das eigene Leben anvertraut. Wer Lust hat, das THW kennenzulernen, kann mittwochs ab 19 Uhr zum lockeren Kennenlernen vorbeischauen. Oder man kommt zum Tag der offenen Tür am Samstag, 28. Juni.
Tag der offenen Tür
Der Ortsverband des Technischen Hilfswerk in Kempen öffnet am Samstag, 28. Juni, 10 bis 17 Uhr, seine Tore und Türen am Industriering Ost 23. Das erwartet die Besucher: Fahrzeug- und Materialschau, Live-Einsatzübungen, Führungen durch die Unterkunft, Rundfahrten mit THW-Fahrzeugen, Spiel und Spaß für Kinder und vieles mehr auf dem Gelände des THW-Ortsverbands.
Wer sich engagieren oder das THW in Kempen unterstützen möchte, findet alle Informationen und Kontaktmöglichkeiten hier:
www.thw-kempen.de