Heimspiel mit der Mund­harmonika

Konstantin Reinfeld ist weltweit gefragt, spielt in Asien vor tausenden Zuschauern – und nun wieder einmal in der Heimat.

Eva Scheuss

Am 11. Oktober findet in Kempen ein besonderes Konzert statt. Konstantin Reinfeld wird dann gemeinsam mit Benyamin Nuss am Piano und dem Detmolder Kammerorchester ein Instrument präsentieren, das in Konzertsälen nur selten zu hören ist. Wir erreichten ihn vorab per Telefon. 

Herr Reinfeld, wo holen wir Sie gerade her?

Konstantin Reinfeld: Gestern Abend haben wir ein Konzert in der Nähe von Köln gespielt – mit meinem Duo-Partner Benyamin Nuss am Klavier und unserem gemeinsamen Freund und Kollegen Marc Marshall aus Baden-Baden, dem Sohn von Tony Marshall. Marc ist ein vielseitiger Sänger, der in vielen Stilrichtungen unterwegs ist. Ich selbst wohne seit 2018 in Hamburg.

Es ist vielleicht eine Frage, die Sie häufig gestellt bekommen: Wie kommt man zur Mundharmonika? Es ist ja doch ein ungewöhnliches Instrument, jedenfalls im Konzertbetrieb.

Das war reiner Zufall, denn einen offiziellen Weg für die Mundharmonika gibt es nicht. Sie wird weder an Musikschulen noch an Hochschulen unterrichtet. Bei mir begann es Ende 2008, als ich das Instrument bei einer Talentshow im Fernsehen entdeckte. Es hat mich sofort fasziniert – die Mundharmonika wirkt geheimnisvoll, man sieht sie beim Spielen nicht richtig, eine Gesichtshälfte ist von den Händen verdeckt. Mein erstes Ziel war, ein paar Lieder unter dem Weihnachtsbaum zu spielen. In Kempen habe ich mir dann mein erstes Instrument und ein Lehrbuch gekauft und autodidaktisch begonnen.

Hatten Sie vorher ein anderes Instrument erlernt?

Ja, ich hatte früh Klavierunterricht und habe später Klarinette gespielt. Doch als die Mundharmonika kam, hat sie beide Instrumente komplett ersetzt.

Wie ging es dann weiter?

Der nächste Schritt war das Internet. Ich habe mich in Mundharmonika-Foren angemeldet und auf YouTube die ersten Tutorials von Profis gesehen. Dort habe ich auch eigene Aufnahmen hochgeladen und wertvolles Feedback erhalten.

Sie haben dann ein Studium an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln begonnen. Mit Hauptfach Mundharmonika?

Offiziell gibt es das natürlich nicht. Ich habe mich im Vorfeld erkundigt und einige Hochschulen gefunden, die offen dafür waren. In Köln gab es allerdings keinen speziellen Mundharmonika-Lehrer. Erst im Masterstudium in Hamburg hatte ich Unterricht – allerdings online, da mein Mentor und großer Mundharmonika-Pionier in Chicago lebt.

Wie ging es dann weiter?

Meine ersten Auftritte hatte ich in der Region, hauptsächlich im Blues- und Bigband-Bereich. Das waren meine ersten Schritte auf der Bühne. 2010 wurde ich von Hohner als jüngster Markenvertreter auf der Musikmesse engagiert.

Ein wichtiger Baustein war auch ein Konzert in Kempen, im Jahr 2017, erstmals gemeinsam mit Benyamin Nuss, oder?

Ja, das war eine wichtige Station, vor allem im klassischen Bereich. Zuvor hatte ich viel Jazz gespielt und eigene Kompositionen geschrieben. Das Konzert in Kempen markierte den Beginn meiner klassischen Laufbahn. Mit Benyamin Nuss am Klavier habe ich einen idealen Partner gefunden. Unsere Programme sind allerdings stilistisch sehr vielseitig.

Wahrscheinlich gibt es für Mundharmonika kaum Literatur, denn eigentlich ist sie ein Instrument, auf dem man frei spielt und improvisiert, oder?

Das stimmt. Es gibt kaum Lehrwerke oder feste Regeln für die Mundharmonika. In der klassischen Musik spielen wir oft Bearbeitungen oder Werke, die ursprünglich für andere Instrumente wie Querflöte oder Klarinette geschrieben wurden.

Ihre Arbeit ist vielseitig. So haben Sie zu Filmmusik, etwa in „Der Club der singenden Metzger“ beigetragen, waren aber auch im Fernsehen präsent?

Ja, für mein erstes klassisches Album „Debut“ mit Benyamin Nuss wurde ich direkt mit dem Opus Klassik in der Kategorie Nachwuchskünstler ausgezeichnet. 2019 fand die Preisverleihung im Konzerthaus Berlin mit Thomas Gottschalk und Lutz van der Horst statt, und wir durften dort auch live spielen. Das war ein wichtiger Meilenstein, auch wenn die Pandemie einige Projekte ausgebremst hat.

Sehen Sie sich als Pionier auf dem Instrument?

Pionier ist man in diesem Bereich schnell, weil es nur wenige Spieler gibt, die so breit aufgestellt sind. Die meisten Mundharmonikaspieler in Nordamerika und Europa sind vor allem im Blues aktiv und tendenziell älter. In Südamerika und Asien sieht das anders aus – dort spiele ich regelmäßig auf großen Festivals. Kürzlich habe ich mit „DIY Harmonica“ ein Lehrbuch beim amerikanischen Verlag Hal Leonard veröffentlicht, um das Instrument weiter voranzubringen.

Was verbindet Sie mit Kempen?

Es ist immer etwas Besonderes, in die Heimat zurückzukehren. In Asien vor tausenden Leuten zu spielen, ist nicht so aufregend wie in der Heimatstadt, wo einen vielleicht ein paar bekannte Gesichter erwarten. Das ist schon spannend. 

Welche Wurzeln haben Sie hier?

Meine Eltern leben in Kempen, und ich bin hier mit meinem Bruder aufgewachsen. Ich habe die Regenbogengrundschule und das Gymnasium Thomaeum besucht, wo ich 2014 mein Abitur gemacht habe. Meine ersten Auftritte hatte ich im schulischen Kontext. Während meiner Schulzeit habe ich auch meine ersten CDs in Hamburg aufgenommen. 

Was spielen Sie am 11. Oktober?

Wir erweitern aktuell das Repertoire für die Mundharmonika in der klassischen Musik, indem wir eigene Werke schreiben oder Kompositionen in Auftrag geben. In Kempen spielen wir zwei brandneue Werke für Mundharmonika, Klavier und Kammerorchester. Vielleicht gibt es auch schon etwas Weihnachtliches. Am Konzerttag erscheint zudem unsere erste Weihnachtssingle.

Tragen Sie Ihre Mundharmonika eigentlich immer mit sich herum?

Früher habe ich sie ständig dabei gehabt, aber mittlerweile nicht mehr ganz so oft.

Fotos: Stephan Pick