Eine etwas andere Ausstellung: Im Niederreinischen Freilichtmuseum gehen Besucher auf eine Reise und erleben eine Beziehungsgeschichte zwischen Menschen und Luft.
Eva Scheuss
Wie so oft, findet das erste Date in einer Bar statt. Auf dem Tresen im ersten Ausstellungsraum im Obergeschoss der Dorenburg steht der Cocktail des Tages mit dem Namen „Atmospherig Breeze“. Seine Zutaten sind die Elemente, aus denen die Luft zusammengesetzt ist. Gäste der Bar sind lebensgroße Pappfiguren, die in unterschiedlicher Weise mit dem Element zu tun haben: die Medizinerin oder der Musiker. Sie haben Namen und erzählen auf großen Sprechblasen, was die Luft für sie bedeutet. So transportiert die Ausstellung unterhaltsam und eingängig viele Informationen. Dazu erschallen aus einer alten Jukebox passende Songs, wie „Love is in the air“ von John Paul Young oder „In the air tonight“ von Phil Collins.
Bis 9. März dauert die interessante und sehenswerte Ausstellung „Luft und Mensch“ in der Dorenburg des Niederrheinischen Freilichtmuseums in Grefrath. Es geht um das leichte, unsichtbare Element Luft, das uns am Leben erhält. Die Macher der Ausstellung um den stellvertretenden Museumsleiter Kevin Gröwig präsentieren dieses auf den ersten Blick schwer fassbare Thema auf erfrischend ungewöhnliche Weise, mit Phantasie, Kreativität, Detailfreude und Humor.
Auf dem Plakat zur Ausstellung schwebt ein knallroter Ballon in Herzform durch blaue Himmelslüfte. „Wir haben ein Experiment gewagt und erzählen die Kulturgeschichte der Luft als eine Liebesgeschichte“, erzählt Kevin Gröwig, der die Ausstellung über mehrere Monate hinweg gemeinsam mit seinem Team erdacht und gestaltet hat. Die Ausstellung reiht sich damit an ihre Vorgänger im gleichen Haus zu volkskundlichen Themen wie Blut, Haare oder Bier. Und ist doch ein wenig anders: „Man findet in der Ausstellung keine klassischen Ausstellungstexte“, erläutert der 43-Jährige. Der Besucher wird vielmehr auf eine kleine Reise mitgenommen, erlebt im Durchschreiten der Räume eine Beziehungsgeschichte zwischen dem Menschen und der personifizierten Luft. Eine mit roten Kordeln abgetrennte Vitrine ist als „Vip-Lounge“ – Nur für Luft – ausgewiesen. Sie enthält Schraubgläser mit „Stadtluft aus Berlin“ oder „Meeresluft von der Nordsee“. Und die sei auch wirklich darin enthalten, versichert der Kurator. Zudem kann jeder Besucher testen, auf welchen „Lufttyp“ er steht. Soll es die frische Meeresluft oder eher die würzige Waldluft sein? Im nächsten Raum heißt es frei nach dem Motto verliebter Paare, die kurzzeitig getrennt sind: „Ohne Luft ist alles doof“ – in Graffitis auf die Wand gesprüht. Pfeile verweisen auf nachgebildete Handydisplays mit fiktiven Social-Media Posts. Dabei geht es um Alltagsgegenstände wie Eischnee, Luftballons, Luftschlangen oder Polsterfolie. Die Macher der Ausstellung haben hierbei ganz bewusst auf KI gesetzt. „Die KI hat uns einige Aspekte der Arbeit natürlich erleichtert, aber keineswegs, wie häufig angenommen, einfach abgenommen. Aber vor allem hat sie uns völlig neue Möglichkeiten geboten, indem sie uns half, ganz unterschiedliche und oft überraschende Perspektiven einzunehmen“, berichtet Kevin Gröwig.
Sie kommt auch im nächsten Teil der Ausstellung zur Anwendung, bei der der Besucher durch einen weißen Rosenbogen den Hochzeitsbereich zwischen Mensch und Luft betritt. Der Flugpionier Otto Lilienthal hält die von KI generierte fiktive Hochzeitsrede. Eine blau-weiße Hochzeitstorte beschreibt auf ihren Etagen den menschlichen Traum vom Fliegen von Urzeiten her. Mit dem originalen Korb eines Gasballons können die Besucher quasi mit dem Brautpaar abheben. Mit viel Augenzwinkern muss man den Bereich der Vereinigung von Mensch und Luft betrachten. Dargestellt in Form einer Peep-Show mit etwas erotischem Pep: Über dem Vorhang, der diesen Bereich abtrennt, blinken zwei Lungenflügel auf. In einem Kasten hinter rotem Samt verbirgt sich ein Modell der menschlichen Lunge aus dem Biologieunterricht: Live und unverhüllt, wie es heißt. Auch über „drei Stellungen für besseres Atmen“ wird informiert. Es gibt einen Luftkurbereich mit einladendem Sessel und witzig gestalteten Büchern zum Thema Gesundheit und Luft.
Und das kritische Ende: Ein Schminktisch wird zum Projektionsort für alles, was in Sachen Mensch und Luft nicht gut läuft. „Wir müssen reden“, heißt es da. Über die zunehmende Luftverschmutzung, die in Form von Parfumflacons mit chemischen Aufschriften angedeutet wird. Über Umweltkatastrophen. Die Luft hat einen Brief an ihren Menschen geschrieben. Sehr lesens- und bedenkenswert. Wie die gesamte Ausstellung, die heiter und leicht, ohne erhobenen Zeigefinger viel Wissenswertes transportiert. Ein wenig Zeit sollte man schon mitbringen, denn diese Ausstellung mag räumlich überschaubar sein, punktet aber durch inhaltlichen Tiefgang und viele liebevoll gestaltete Details. Und für Kinder gibt es einen eigenen Raum mit blauen Sitzsäcken, einem interaktiven Schreibtisch und einem Film – natürlich zum Thema Luft.
Ausstellung „Luft und Mensch – Eine Liebes-geschichte“
Niederrheinisches Freilichtmuseum des Kreises Viersen, Am Freilichtmuseum 1, 47929 Grefrath. Öffnungszeiten täglich außer montags von 10 bis 16 Uhr. Eintritt für Erwachsene 4,50 Euro, ermäßigt 3,50 Euro. Für Kinder und Jugendliche ist der Eintritt frei. Bis 9. März 2025.