160 Jahre bauen mit Leidenschaft

2. Folge: Ein neuer Mann betritt die Bühne

In diesem Jahr blickt das bundesweit agierende Kempener Unternehmen RALF SCHMITZ auf eine 160-jährige Bautradition zurück. 1864 in Grefrath gegründet, errichtete die Baufirma Schmitz 1903 eine Filiale in Kempen, die 1919 selbstständig wurde und in den Aufbaujahren nach dem Zweiten Weltkrieg unter ihrem Leitenden Geschäftsführer Hieronymus Schmitz ihren Zenit erreichte – bis eine weltweite Krise und private Gründe sie in die Insolvenz zwangen. 

November 1973: Deutschlands Autobahnen sind leer. Um Treibstoff zu sparen, hat die Regierung an vier aufeinander folgenden Sonntagen ein Fahrverbot erlassen. Der Hintergrund: Nachdem Israel im Oktober 1973 im Jom-Kippur-Krieg Gebiete in Ägypten und Jordanien besetzt hat, haben die arabischen Staaten ihre Erdölproduktion gedrosselt. Die Weltwirtschaft taumelt in eine Krise. Der Markt für die Baubranche bricht ein. In dieser kritischen Situation bräuchte die Kempener Baufirma Schmitz KG den planenden Kopf, die ordnende Hand ihres Leitenden Geschäftsführers Hieronymus Schmitz. Aber für den gilt jetzt: „Familie vor Firma!“ Um seine schwerkranke Frau Marianne zu pflegen, hat er sich weitgehend aus der Geschäftsleitung zurückgezogen. Seine Stellvertreter sind der Krise nicht gewachsen. Unter dem Druck der schwersten Rezession seit 1929 muss das Unternehmen im August 1978 Insolvenz anmelden. Die Mitarbeiter werden sozialverträglich von Auffanggesellschaften übernommen. 

Was damals niemand ahnt: Dies ist nicht das Ende des Familienunternehmens. Im Gegenteil: Unter Hieronymus Schmitz’ Sohn Ralf wird es zu einem Neubeginn kommen, der die Familiengeschichte auf einen Höhepunkt bringt. Mit dem Nachfolger tritt in der Unternehmens-Tradition die vierte Generation auf den Plan. 

Wer ist dieser Ralf Schmitz? 1953 in Kempen geboren und dort aufgewachsen, hat er auf dem Gymnasium Thomaeum sein Abitur gemacht und anschließend in Bonn ein Doppelstudium absolviert: Betriebswirtschaft und Jura. Der junge Mann ist ein Familienmensch. Persönlich bescheiden, humorvoll und von souveränem Auftreten, ist er auf diplomatischen Umgang mit seiner Umgebung bedacht und in einer ausgewogenen Weise durchaus kritisch gegenüber sich selbst. Vor allem aber: Schmitz verfügt über ein gutes Gespür für ästhetische Wirkung. Er ist Kunstliebhaber und genießt den Anblick klassischer Architektur. Als Geschäftsmann kalkuliert er realistisch und präzise. Ausgestattet mit dem richtigen Riecher für eine erfolgreiche Firmen-Strategie, spürt er sensibel Trends und Entwicklungen. Vor allem mit Hilfe einer ihm von Verwandten zugekommenen Erbschaft gründet er am 14. April 1977 eine neue Firma, die den Familiennamen weiter führt: die Ralf Schmitz Kommanditgesellschaft Wohnungsbau-Altbausanierung, allgemein Ralf Schmitz KG genannt. Im Gegensatz zu seinen Vorfahren arbeitet der Junior als Projektentwickler ohne eigenen Baubetrieb. 

Zu dieser Zeit wird wenig neu gebaut; deshalb scheint das Geschäftsfeld Altbausanierung und -verkauf aussichtsreich. Am Stammsitz Kempen beginnt der Jung-Unternehmer mit der Sanierung und dem Verkauf gebrauchter Immobilien. Bald, als die Konjunktur sich belebt, folgen die ersten Neubauten. Deshalb firmiert Ralf Schmitz 1978 sein Altbausanierungs-Unternehmen in eine Wohnungsbaugesellschaft um. Die Kempener Altstadtsanierung beflügelt das Geschäft. Schmitz erkennt das Wohn-Potenzial einer Innenstadt, konkret: den Wert der Kempener Altstadt. Hier betreibt er zunächst die Entwicklung und Realisierung innerstädtischer Wohnhäuser, auch im Sozialen Wohnungsbau. Sein Qualitätsanspruch lässt ihm ab 1982 die Entwicklung hochwertiger Immobilien zur Herausforderung werden. Diese Linie wird sein künftiges Handeln als Unternehmer bestimmen. Weitere Wohn- und Geschäftshäuser in Kempen folgen, alle in bester Lage und von hohem Baustandard. 

Kurz: Ralf Schmitz profiliert sich künftig als Anbieter hochwertiger Wohnungen. Dazu kommt seine Vorliebe, alten Baudenkmälern wieder zu neuem Glanz zu verhelfen. Bestes Beispiel ist die Villa Brandenburg am Kempener Moorenring, die er 1998 nach sorgsamer Sanierung zu seinem Geschäftssitz macht. 

Eine Kontroverse entstand um das Kempener Haus Peterstraße 20, ein Gebäude aus dem 18. Jahrhundert, das zugunsten einer neuen Bebauung durch die Firma Schmitz zunächst dem Abbruch geweiht schien. Aber dann stellte Ralf Schmitz’ Sohn Axel, der das Projekt entwickelt hatte, am 13. November 2014 im Rathaus in einer Pressekonferenz in Abstimmung mit Verwaltung, Politik und einer eigens gegründeten Bürgerinitiative eine neue, aufwändige Planung vor, die die Fassade des Bau-Erbes bewahrte und sie harmonisch in eine Neubau-Nachbarschaft einbettete. Wofür der beauftragte Architekt Sebastian Treese einen internationalen Preis bekam. 

Seit 1989: Ralf Schmitz legt den Focus auf Düsseldorf, Berlin und Hamburg

1989: Um seiner Vorliebe für edle Stile und wertvolle Materialien nachzugehen, richtet Ralf Schmitz den Blick auf die aufstrebende Landeshauptstadt Düsseldorf. Hier folgt der Sprung ins Hochwertsegment – in den wohlhabenden Stadtteil Oberkassel. Von 2004 bis 2006 errichtet der Kempener an der Leostraße sechs Stadtvillen im englischen Landhausstil – ein Meilenstein. Damit vollzieht sich die entscheidende Wende in der Firmenphilosophie: der Durchbruch zum Bauen in klassischer Architektursprache auf höchstem Qualitätsniveau. Währenddessen schafft Ralf Schmitz’ zweitältester Sohn Richard der Firma die Strukturen, die ihr im Verein mit dem neuen Baustil eine rasante Entwicklung ermöglichen. 

Dann: Der Sprung an die Spree. Ralf Schmitz’ ältester Sohn Daniel sieht seit der deutschen Einheit den enormen Aufschwung der neuen alten Hauptstadt voraus. In Berlin baut er 2004 eine Niederlassung auf und errichtet Wohnungen und Villen in einer bis dahin unerreichten Qualität. Höhepunkt des Firmenschaffens: Haus Eisenzahn I. Ein palaisartiger Gebäudekomplex. Eisenzahn? Der Bau nennt sich nach seiner Lage: einer Seitenstraße zum Kurfürstendamm. Man betritt ihn durch eine opulente Eingangshalle. Die stilvollen Haus-Entrées und die Treppenhäuser sind mittlerweile ein Schmitz’sches Markenzeichen. Schließlich eröffnet Daniel eine Filiale in Hamburg. Hier entstehen – auch unter der Ägide von Ralf Schmitz’ jüngstem Sohn Axel – elegante Villen und Stadthäuser. 

Zurück nach Kempen. Im Norden der Altstadt entsteht von 2005 bis 2013 nach dem Vorbild des belgischen Knokke der „Grachtenpark“: Weiße Häuser mit roten Dächern, Sprossenfenstern und Fensterläden. Im Kempener Zentrum, auf dem Grundstück des abgerissenen Gebäudes der Kreisverwaltung, wächst ab 2012 der Klosterhof: ein Gebäudekomplex mit Tiefgarage, Geschäften im Erdgeschoss, darüber Wohnraum. Gekrönt von einem Dachgarten mit Pergola nach dem Vorbild der Akademie der Wissenschaften in Budapest. 

Bilanz und Ausblick

In den 160 Jahren seines Bestehens hat das Familienunternehmen die verschiedensten Bauprojekte realisiert: Kirchen und Klöster, Sparkassen und Industriebauten, Kasernen und Bunker, Geschäfte, Restaurants und Schulen. Und Tausende von Wohngebäuden. Wohnraum für unzählige Menschen.

An seinem 70. Geburtstag, am 4. Juni 2023, hat der Firmengründer nun den Stab an seinen jüngsten Sohn Axel weitergegeben. Der ist 2011 nach Abschluss seines Studiums in das Unternehmen eingetreten. Hier hat er unter anderem eine IT-Abteilung aufgebaut, die die Abläufe digitalisiert, und ist seit 2013 Geschäftsführer. „Bei meinem Sohn Axel weiß ich das Unternehmen in guten Händen“, sagt Ralf Schmitz. Der einstige Seniorchef steht nunmehr als Vorsitzender des Aufsichtsrates seinem Nachfolger mit Rat und Tat zur Seite. In seiner Freizeit widmet er sich sozialen Projekten. So unterstützt Ralf Schmitz den Kempener Verein „Haus der Sonne“, der Straßenkinder in Kamerun betreut, und fördert Aktivitäten für Migrantenkinder, die in Gemeinschaftsunterkünften in Kempen untergebracht sind.

Hans Kaiser