Es gibt viele gute Gründe für einen Spaziergang durch Kempen. Sind es die schönen Geschäfte, die Denkmäler oder architektonischen Besonderheiten, die Kunstwerke oder doch die Möglichkeiten zum Klettern, Spielen, Entdecken? Jeder und jede hat da eigene Vorlieben. Elf Menschen berichten in einem neuen Buch von ihren Motiven.
Ulrike Gerards
Der Kempener Journalist und Autor Axel Küppers hat 11 Spaziergänge durch die Altstadt mit ganz unterschiedlichen Menschen unternommen, die Geschichten aufgeschrieben, die nun zusammen mit schönen Fotos das Buch „Kempen anders sehen“ bilden. Die Idee stammt von Grafikerin Heike Seidemann, die zusammen mit Dirk Lewejohann als Herausgeber und dem Historiker Dr. Hans Kaiser bereits die Kempener Stadtgeschichte zwischen zwei Buch- deckeln verewigt hatte. Nun sollte ein anderer Blick auf Kempen entstehen. Als Axel Küppers dazukam, nahm das Projekt Fahrt auf.
Auf den Spuren von St. Martin
Ganz subjektiv habe er die Protagonisten zusammengestellt, so Axel Küppers bei der Vorstellung des Buchs in der Thomas-Buchhandlung. Und alle, die er gefragt habe, haben begeistert mitgemacht. Den Anfang macht Ehrenbürger Karl-Heinz Hermans, der bei seinem Spaziergang den Heiligen Martin von Tours in den Mittelpunkt rückt. Viele schöne, aber auch weniger schöne Erinnerungen an Kempens schönstes Fest und natürlich ein Besuch des Martinsdenkmals am Buttermarkt gehören dazu.
Handfest wird es, wenn Axel Küppers Antonius Kiwall beim Gang an der Stadtmauer entlang begleitet. Der Brüggener Restaurator hat in den vergangenen 30 Jahren maßgeblich dazu beigetragen, dass die Mauer, die bereits 1319 ihre Anfänge fand, ihren Charakter behalten hat, schildert Küppers. Dass die Kempener ein großes Interesse an ihren alten Mauern haben, erlebt Antonius Kiwall immer, wenn er an einem Bauwerk arbeitet. Dann dauert es nicht lange, bis ein Bürger auftaucht und fragt, was er da mache. „Das hab‘ ich in keiner anderen Stadt bisher erlebt“, erzählte der Restaurator schmunzelnd beim Pressegespräch. Kiwall wisse, dass es „die Mauer“ eigentlich nicht gebe, sondern es eher einem Sammelsurium von Steinen gleichkomme. Im Laufe der 700 Jahre sei häufig an der Wallanlage gekämpft, gearbeitet, geplündert, gelebt, geliebt und wohl auch gemordet worden. Spannend sich beim Lesen mit auf die knapp zwei Kilometer, aber viele Jahrhunderte umfassende Reise durch die Geschichte dieser Steine zu machen.
Im Hier und Jetzt leben dagegen Oskar und Samu, die Enkel von Axel Küppers, die uns dazu einladen, die Altstadt aus Kindersicht zu sehen. Eine interessante fachliche Sicht auf die Stadtentwicklung gibt Architektin Anouk von Gehlen. Kempen sei schön, findet sie. Das reiche aber nicht. Die 26-jährige Kempenerin fragt sich, warum Pläne für die Entwicklung der Burg oder die Bebauung des Parkplatzes hinter der Volksbank, die sogenannten Thomasgärten, nicht angepackt werden. Sie nimmt auch die soziale Komponente in den Blick und wirbt für eine harmonische Quartiersentwicklung. Mieten für Ladenlokale wie für Wohnungen müssen bezahlbar bleiben, Menschen müssen sich hier als Teil eines gemeinschaftlichen Quartiers fühlen.
Die Historikerin Dr. Ina Germes-Dohmen, die über die Dachziegel- und Röhrenindustrie am linken Niederrhein promoviert hat, lenkt unseren Blick nach oben: Dann sieht man, dass das markante Fachwerkhaus an der Peterstraße 5 nicht nur durch seine historische schwarz-weiße Fassade besticht. Auch das Dach ist etwas Besonderes, schwarz auf der östlichen Seite, rot auf der westlichen Seite. Die richtige Auswahl von Dachziegeln sei wichtig in einer denkmalgeschützten Altstadt, so Ina Germes-Dohmen, die hofft, dafür auch bei der Stadtverwaltung sensibilisieren zu können.
Neue Chance für die Kreisbank?
Auch die Kunst spielt bei den Spaziergängen eine Rolle. Die Künstlerin Edith Stefelmanns, die auch Skulpturenführungen anbietet, widmet sich der Kunst im öffentlichen Raum und verrät spannende Details zu zwölf Kunstwerken. Wichtig war ihr auch ein Kunstwerk, das heute gar nicht zu sehen ist. Im Schatten der Burg, auf der Wiese zum Burgring, sieht man noch die Umrisse der Kreisbank des japanischen Künstlers Katsuhito Nishikawa, die von 2001 bis 2011 dort stand, allerdings immer wieder Opfer von Vandalismus und daher eingelagert wurde. Auf Initiative verschiedener Kempener soll sie zurückkehren. „Es ist schwierig, die Restaurierung ist sehr teuer. Das liegt an der Statik der Bank“, erklärt Edith Stefelmanns. Aber sie ist zuversichtlich, dass Bewegung in das Thema kommt.
Auf originelle Alltagskunst und Details, die man leicht übersieht, hat der Fotograf und Künstler Gerhard Kuhl den Fokus gelegt. Ein Beispiel dafür sind die sogenannten Schuhkratzer, die sich an den Eingängen älterer Gebäude befinden, aber leider oft entfernt werden. Aber auch Maueranker und andere Fassadenverzierungen nimmt er in den Blick.
Beim Spaziergang mit Landschaftsarchitekt Burkhard Damm geht es um das Grün in der Stadt, Architekt Thomas Blohm-Schröder berichtet über die Propsteikirche und Ute Gremmel-Geuchen sprach mit Axel Küppers über jüdisches Leben und die aktive Erinnerungskultur in Kempen. Bernd Faber, der seit 25 Jahren auf einen Rollstuhl angewiesen ist, begleitete Küppers auf einer Runde durch die Altstadt, die neue Perspektiven ermöglicht.
Für wen ist das Buch?
Das Buch richtet sich vor allem an diejenigen, die Kempen schon kennen, aber eine andere Seite entdecken wollen oder mehr über bekannte Seite erfahren möchten. Eine Karte am Ende des Buches hilft, die Routen auch selbst nachzugehen.
Wie bekommt man es?
„Kempen anders sehen – 11 Spaziergänge durch die Altstadt“ kostet 18,90 € und ist erhältlich in der Thomas-Buchhandlung an der Burgstraße 28 und bei Schreibwaren Beckers an der Engerstraße 10.