Hier geht es von Anfang an gemeinsam zur Sache: Am Luise-von-Duesberg-Gymnasium (LvD) gibt es ein Big-Band-Konzept, bei dem Schülerinnen und Schüler nicht nur ein Instrument lernen, sondern auch gleich zusammen als Ensembles spielen. Und dabei schnelle Erfolge erzielen.
Patrick van der Gieth und Ulrike Gerards
Das Highlight kommt natürlich zum Schluss: Auf das Stück Dorfschule hat sich so mancher schon gefreut. Wahrscheinlich fällt jetzt zum Ende des ersten großen Auftritts auch langsam die Aufregung ab. Nachdem die Fünft- und Sechstklässler bereits einige Jazz-Klassiker auf der Bühne der Aula am Luise-von-Duesberg-Gymnasium (LvD) präsentiert haben, ist jetzt eher freies Musizieren, ein bisschen Improvisieren und ganz viel Spaß angesagt. Stellenweise geht der Sound wild durcheinander – wie es in einer Dorfschule eben so zugehen kann.
Ende März haben die Schülerinnen und Schüler der Mini-Big Bands am LvD ihr erstes gemeinsames Konzert gegeben. „Stand der Dinge“ heißt das. Und was die jungen Musikerinnen und Musiker nach so kurzer Zeit schon gelernt haben, ist beeindruckend. Das Big-Band-Angebot des LvD sei ein echtes Alleinstellungsmerkmal, erzählt Markus Türk. Der Jazztrompeter leitet die Big Bands am Kempener Gymnasium. „Das gibt es sonst so nicht. Hier können alle Kinder völlig ohne Vorkenntnisse anfangen und dann bis zum Abitur in einer Big Band spielen.“ Dafür wurde die Schule bereits mit dem WDR Jazzpreis 2022 in der Kategorie Nachwuchsförderung ausgezeichnet.
Los geht es mit den besagten Mini-Big Bands, in die alle Fünftklässler einsteigen können, die ein Musikinstrument lernen und in einer Big Band spielen wollen. Zur Auswahl stehen Trompete, Posaune, Saxophon, Querflöte, E-Gitarre, E-Bass, Schlagzeug und Keyboard. Wer teilnimmt, erhält in den Klassen 5 und 6 eine Stunde pro Woche Instrumentalunterricht bei professionellen Jazzmusikern. Ein teures Instrument kaufen muss man zunächst nicht – dieses kann man beim Förderverein des LvD mieten. Zusätzlich proben alle einmal pro Woche gemeinsam als Big Band. Vorkenntnisse am Instrument oder im Notenlesen braucht man nicht. Und so sind auch die Vorkenntnisse und Vorlieben in der Mini-Big Band 2C ganz bunt gemischt.
Zu Besuch im Probenraum
An diesem Tag im Mai proben hier Simon, Moritz, Jonas, Simon, Johannes und Joshua zusammen. Simon hat bereits Erfahrung mit seinem Instrument mitgebracht. „Ich habe schon vorher Schlagzeug gespielt, ungefähr seit sieben Jahren“, erzählt er. Durch seinen Vater, der selbst Schlagzeug spielt, ist er dazu gekommen – und es macht ihm sehr viel Spaß. Johannes hat in der Mini-Big Band mit der Posaune angefangen; ein Instrument hatte er vorher nicht gespielt. Aber weil seine Freunde in der Big Band mitmachen wollten, probierte er es auch. Andere haben schon Erfahrungen mit einem Instrument und für die Big Band gewechselt. So spielt Simon nun Posaune, hatte vorher jedoch schon Euphonium gespielt – sozusagen eine kleinere Version der Tuba. Die Posaune macht ihm jetzt ebenfalls viel Spaß.
Moritz hatte mit der Akustikgitarre angefangen und in der Big Band zum E-Bass gewechselt. Joshua hat zur Gitarre noch den Bass hinzugenommen und spielt nun in beiden Mini-Big Bands – Gitarre in der Mini-Big Band 2C und Bass in der 2A. Jonas hatte bereits Klavier gelernt, ist nun aber zum Saxophon gewechselt. „Beim Vorspielen fand ich das Saxophon interessant“, erzählt er. Zum Vorspielen werden die zukünftigen Fünftklässler in die Aula eingeladen. Dann stehen die Dozenten selbst auf der Bühne und zeigen mit viel Spielfreude, was man aus den Instrumenten herausholen kann – und vor allem, wie toll es klingt, wenn alle zusammenspielen.
Nach dem Vorspielen kann man sein Instrument wählen. Die meisten stürzen sich dann auf Schlagzeug und Gitarre. Da müsse man vermitteln, denn in einer Big Band braucht man jeweils nur ein Schlagzeug und eine Gitarre. Daher geben die Kinder auch einen Zweit- und Drittwunsch an. „Wir kriegen es immer ganz gut hin“, sagt Markus Türk.
Wen das Big Band-Fieber so richtig gepackt hat, der kann später in den weiterführenden Bands der Mittelstufe mitspielen – das sind „Die Halbstarken“ aus den siebten Klassen, „Dicke Lippe“ aus den achten und neunten Klassen sowie im Anschluss die „United Horns“.
Start vor 24 Jahren
Die United Horns wurden bereits im Jahr 2001 vom Musiklehrer Berthold Schüssler am LvD gegründet. Sie besteht aus Mittel- und Oberstufenschülern, die in klassischer Big Band-Besetzung moderne Swing-, Rock- und Poparrangements spielen. Markus Türk war zunächst als vorübergehende Vertretung für Berthold Schüssler gekommen – und geblieben. Seit 2015 leitet er die Bands und hat großen Spaß dabei. Die Mittelstufenband kam auch dazu. Es gab aber das Problem, dass der Nachwuchs fehlte. So kam die Idee zu den Mini Big Bands. „Das hat sich sehr gut entwickelt. Im ersten Jahr hatten wir eine Klasse mit 20 Kindern. Heute haben wir 50 bis 60 Schüler in den Mini-Big Bands“, erzählt Markus Türk. Neun Ensembles gibt es mittlerweile am LvD und die Schülerinnen und Schüler können neun Jahre dabei bleiben. In der Oberstufe kann man Big Band dann auch als Kurs belegen und sich als Note im Abitur anrechnen lassen.
Neue Small Band ist an den Start gegangen
Der eine oder die andere nimmt neben den Proben am LvD auch noch Privatunterricht. Es gebe schon einige richtige Supertalente in den Reihen, freut sich der Leiter. In diesem Jahr hat er neu die Small Band „Småland“ gegründet, für alle, die weiter sind und gerne improvisieren möchten und die nun als Jazz-Combo zusammenspielen.
Mit Markus Türk hat das LvD einen vielseitigen Musiker gewonnen, der mit seiner großen Leidenschaft für die Musik ansteckt. Wenn er nicht unterrichtet, ist der 63-Jährige selbst als Trompeter äußerst erfolgreich unterwegs. Seine musikalische Reise begann schon früh: „Ich war sieben, als ich mit meinem Bruder mit der Straßenbahn in Krefeld unterwegs war und jemand eine Platte von Louis Armstrong liegen gelassen hatte. Die hab ich mitgenommen, übers Bett gehängt und gesagt: Ich will Trompete spielen.“ Und so kam es. Mit neun Jahren, die Familie war mittlerweile von Krefeld nach Grefrath gezogen, kaufte er sich für 90 Mark von seinem Taschengeld die erste Trompete. „Meine Eltern haben mir den Trompetenunterricht bezahlt.“ Klassisch ging es mit Blasmusik im Musikverein los. Mit 15 fing er an, Gitarre zu spielen, „weil ich keine Lust mehr hatte auf Blasmusik und Polka“. Bob Dylan war dann eher angesagt. Über eine Band kam er dann aber wieder zurück zur Trompete.
Er studierte Lehramt Musik und Deutsch an der Universität Duisburg sowie später Musik am Konservatorium Arnheim in den Niederlanden. Er spielte in unterschiedlichen Zusammensetzungen, tourte durch Europa, trat schon in Madagaskar und Myanmar auf, spielte an unterschiedlichen Theatern und auf Festivals, wirkte als Studiomusiker an Plattenaufnahmen von Die Ärzte, Guildo Horn, Weather Girls, Fehlfarben und vielen anderen mit.
Seit 1991 leitet er auch die Kempen Big Band, hat verschiedene eigene Bands und Combos, zu denen aktuell unter anderem das Quintett Furiopolis und die Gruppe The Dorf gehören. Dazu ist er immer wieder vor Ort engagiert. So ist der Musiker, der nach wie vor in Grefrath wohnt, Vorsitzender der Kulturinitiative Grefrath (KinG), die dort unter anderem das Schwingbodenfestival und noch so einiges mehr auf die Beine stellt.
Und natürlich unterrichtet er. „Ich bin seit 1989 an der Musikschule Mönchengladbach, habe vorher schon privat unterrichtet. Aber ich muss sagen, dass mir Ensemblearbeiten viel mehr Spaß macht als Einzelunterricht“, sagt Markus Türk. Die Arbeit am LvD sei schon etwas Besonderes. „Wenn man sieht, wie die Kinder bei null anfangen und vor den Osterferien ihr erstes Konzert geben, dass sie improvisieren können, dass sie Stücke spielen können und das zusammen als Band – was Schöneres kann man sich nicht vorstellen.“
Am LvD gefällt ihm die Schulgemeinschaft richtig gut. „Der Rückhalt, den ich hier für dieses Projekt habe, ist einzigartig“, so Markus Türk und lobt besonders Schulleiter Benedikt Waeder und seinen Stellvertreter Thorsten Terschlüsen, der Schlagzeugunterricht gibt und selbst in der Big Band dabei ist. Auch die Unterstützung des Fördervereins sei toll, denn dieser ermöglicht die Abwicklung, die Bezahlung der Dozenten und die Miete der Instrumente. „Wenn ich da etwas brauche, werde ich immer unterstützt“, freut sich Türk. „Das ist herausragend. Die ganze Schule gibt uns Rückhalt.“
Kempen Big Band
Wenn man in Kempen von Big-Band-Sound spricht, denken viele gleich auch an die Kempen Big Band. Diese wurde 1981 gegründet und wird seit 1991 ebenfalls von Markus Türk geleitet. Die Amateurmusiker der klassisch besetzten Band sind am Niederrhein bekannt bei Liebhabern des satten Big-Band-Sounds. Presse und Publikum feiern die Auftritte der Kempen Big Band regelmäßig. Die Band spielt anspruchsvolle, traditionelle Jazz-Standards. Kompositionen und Arrangements von Joe Zawinul, Dizzy Gillespie, Sammy Nestico, Jerome Kern, Miles Davis, Bob Mintzer, Thad Jones, Herbie Hancock und viele mehr gehören genauso zum Repertoire wie Stücke von Roger Cicero, Michael Bublé oder Paul Anka.
Immer wieder finden auch Talente vom LvD Big Band-Projekt ihren Weg zur Kempen Big Band. Dazu gehören aktuell zum Beispiel Felix Andre als Trompeter oder Melina Brosius am Saxophon. Für die Gesangsstücke hat die Kempen Big Band den jungen Sänger Ilyas Adjana gefunden – ebenfalls ein ehemaliger LvD-Schüler. Dieser ist aber nicht nur Sänger, sondern spielt auch Schlagzeug und Klavier. „Ein unglaubliches Talent“, freut sich Markus Türk, der hofft, dass Ilyas der Kempen Big Band noch lange erhalten bleibt, auch wenn bei ihm nun das Studium ansteht.
Über Nachwuchsmangel kann sich die Kempen Big Band auf jeden Fall nicht beklagen. Es gibt sogar Wartelisten. „Bläser, also Saxophon und Posaune, würden gerne mitspielen, aber wir sind gut besetzt, mit sieben Saxophonen, vier Posaunen, sechs Trompeten – einige Stimmen schon doppelt belegt, was nicht schlimm ist, weil immer mal jemand zu einem Termin nicht kann“, so Markus Türk.
Termine
Floehr trifft Hüsch heißt es am Freitag, 6. Juni, in der Fabrik Heeder in Krefeld. Der Poetry-Slammer Johannes Floehr und Joachim Henn, einer der erfahrensten Rezitatoren des Moerser Kabarettisten Hanns Dieter Hüsch, der in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag feiern würde, stehen gemeinsam auf der Bühne. Und Markus Türk ist auch dabei. Das Niederrheinische Literaturhaus der Stadt Krefeld ist Veranstalter, Karten gibt es für 10 €, ermäßigt 5 € an der Abendkasse ab 30 Minuten vor Beginn der Veranstaltung. Reservierung per Mail an literaturhaus@krefeld.de. Mehr Infos gibt es hier: nlh-krefeld.de. Weitere Termine von Joachim Henn und Markus Türk sind zum Beispiel am 1. Juli in Kamp-Lintfort oder am 4. Juli in Geldern-Pont.
The Dorf ist ein rund 25-köpfiges Ensemble, entstanden im Dortmunder Jazzclub domicils. Und dort ist die Truppe auch immer wieder zu sehen. Am Donnerstag, 12. Juni, ist sie ab 20.15 Uhr wieder soweit, vorher ist das Trio „Song of Mu“ zu hören. Alle Infos hier: domicil-dortmund.de
Die United Horns und die neue Band Småland treten am 14. Juni gemeinsam im Kulturbahnhof KuBa in Kempen auf.
Auftritte der Kempen Big Band stehen zum Beispiel am 28. November in Krefeld, am 29. November in Kempen, am 30. November in Viersen und am 14. Dezember in Mönchengladbach an. Details kurz vorher hier: kempen-big-band.de
Regelmäßig lädt Markus Türk auch zum JazzCafé in der Alten Fabrik in Nettetal-Kaldenkirchen ein und hat dann befreundete renommierte Musiker zu Gast für einen Konzertabend mit Jazzstandards in gemütlicher Clubatmosphäre und mit gepflegten Getränken.
Der nächste Termin ist für den 10. Juli geplant. Alle Infos hier: www.alte-fabrik-nettetal.de

