Es ist bürgerschaftliches Engagement par excellence: Anders Wackernagel und Willy Schulting aus Kempen haben die Bürgerinitiative eCB Kempen ins Leben gerufen. Die Abkürzung steht für „e-Carsharing in Bürgerhand“. Roger Buschfeld ist nun ebenfalls dabei. Die Stadt Kempen unterstützt die Initiative und wirbt dafür, an einer Umfrage teilzunehmen, mit der Interesse und Bedarf ermittelt werden soll.
Eva Scheuss
Die Idee ist einfach und frappierend überzeugend: Mehrere Bürger teilen sich ein E-Auto, sparen viel Geld und tun gleichzeitig etwas für die Umwelt. Denn wer in Kempen unterwegs ist, wird unschwer feststellen, dass die Zahl der Pkw zuzunehmen scheint.
Tatsächlich wuchs der Pkw-Markt in Deutschland im Jahr 2023 an. Die Neuzulassungen stiegen im Vergleich zum Vorjahr um etwa sieben Prozent, auf insgesamt rund 2,84 Millionen Fahrzeuge. Dabei entfielen die meisten Erstanmeldungen in Deutschland auf SUVs und die Kompaktklasse. Im Jahr 2023 war der Verkehrssektor für rund 146 Millionen Tonnen Treibhausgase verantwortlich und trug damit rund 22 % zu den Treibhausgasemissionen Deutschlands bei. Viele Straßen auch in Kempen sind dauerhaft zugeparkt, die Suche nach einem Parkplatz gestaltet sich immer schwieriger. „Viele Autos sind doch nur ‚Stehrümchen’“, heißt es im Team der Initiative. Vor allem, wenn sie als Zweit- oder sogar Drittauto angeschafft wurden.
Der 85-jährige Anders Wackernagel hatte schon vor zwei Jahren die Idee, ein Carsharing-Projekt im Kreis Viersen ins Leben zu rufen und musste nach einiger Zeit frustriert aufgeben, weil er auf kein Interesse stieß. Ein Carsharing-Projekt in Viersen, finanziert aus EU-Fördertöpfen, sei vor einiger Zeit wieder eingestampft worden. Bei einem Arbeitskreis zum Thema nachhaltige Energie traf er auf den Kempener Willy Schulting und damit auf jemanden, den ähnliche Ideen und Interessen bewegten. Die beiden beschlossen, das Projekt gemeinsam neu anzugehen. Beide ergänzen sich dabei sehr gut.
Konzept aus dem Kreis Ahrweiler übernommen
Der 63-jährige Schulting ist Informatiker und lebt mit seiner Frau seit 22 Jahren in Kempen. Er betreut den digitalen Bereich, hat die Website (ecb-kempen.de) erstellt. Anders Wackernagel ist Chemiker, war lange in den USA und arbeitete als selbstständiger Unternehmer in den Bereichen Marketing, Verkauf und technische Beratung. Seit 1980 lebt er in Kempen. Ganz neu und damit Dritter im Bunde ist Roger Buschfeld. Er weiß, wie viel Geduld und Durchhaltevermögen es braucht, eine großangelegte Idee Wirklichkeit werden zu lassen. Der 66-jährige Ingenieur war lange Jahre in verantwortlicher Position als Projektentwickler bei einem Dienstleistungsunternehmen der Stahlindustrie. Er gehört zu den Mitbegründern des gemeinschaftlichen Mehrgenerationen-Wohnprojektes in Kempen an der Kreuzkapelle/Alter Prozessionsweg. Dort wohnt er seit über zehn Jahren zusammen mit seiner Frau.
Das Konzept für die e-Carsharing-Initiative haben die Kempener vom Kreis Ahrweiler übernommen, wo es erfolgreich funktioniert. „Das war unsere Blaupause“, erzählt Willy Schulting. Die Webseite ecb-kempen.de informiert über das Projekt und beinhaltet den Fragenkatalog. Aktuell ist die Umfrage der wichtigste Teil, weil mit ihr in den nächsten zwei bis drei Monaten erst einmal der Bedarf in Kempen ermittelt werden kann. Sie entscheidet darüber, ob und wie die Initiative weiter tätig sein wird. Die Fragen können anonym beantwortet werden. Die Teilnahme ist völlig unverbindlich. Es geht dabei um den eigenen Standort, das mögliche Nutzungsverhalten, individuelle Motivationen und Ziele. Wer zum Ende der Umfrage seine E-Mail-Adresse angibt, wird – weiterhin ohne Verpflichtungen – über den Fortgang des Verfahrens informiert.
Verschiedene Modelle des Carsharings
Verschiedene Modelle sind vorstellbar. Das Auto könnte völlig frei und flexibel ausleihbar sein. Ein so genannter Ankermieter dagegen würde das Auto zu festen Tagen und Zeiten anmieten. Möglich wäre auch ein „Nachbarschaftsauto“, das sich mehrere Mieter in unmittelbarer Nachbarschaft teilen. Klar ist, dass das Auto einen festen Standort mit Aufladestation braucht. Und auch, dass nicht ein einzelner ein solches Fahrzeug verantwortet, sondern, dass es im Eigentum eines Trägers, etwa einer Energiegenossenschaft, verbleibt. Die Kommunikation würde digital verlaufen. Mithilfe einer App würde das Fahrzeug reserviert und bedient werden. Die monatlichen Gesamtkosten für das Carsharing-Fahrzeug wären etwas höher als bei einem privaten Pkw, würden aber für den einzelnen eine erhebliche Ersparnis gegenüber einem Individualfahrzeug bringen, versichern die Projektentwickler. Abgerechnet würden eine Art Grundgebühr, die zurückgelegten Kilometer und eine Zeitpauschale. Es gibt sehr viel Flexibilität und zahlreiche Optionen bei der Umsetzung, die aber erst einmal ein grundlegendes Interesse der Kempener voraussetzen.
Auch das Integrierte Klimaschutzkonzept der Stadt Kempen hebt die Bedeutung von E-Carsharing hervor. Auf der Internetseite der Stadt heißt es: „Dieses hat neben dem Klimaschutzaspekt und der Reduzierung des Verkehrsaufkommens auch andere Vorteile: Für Nutzende, die beispielsweise zugunsten des E-Leihfahrzeugs ihr privates (Zweit-)Kfz aufgeben, entfallen Kosten für Steuern, Versicherung und Unterhalt. Beim E-Carsharing entstehen lediglich Kosten für die tatsächliche Nutzung des Fahrzeugs im jeweiligen Sharing-Modell.“ Die drei Macher der Bürgerinitiative eint der Gedanke, dass endlich einmal etwas getan werden muss. Es gebe so viele Konzepte zum Klimaschutz, sagt Willy Schulting, doch die würden oftmals ohne konkretes Ergebnis „zerredet“ werden. „Wir sind Bürger dieser Stadt und wir machen das jetzt“, sagt er entschlossen. Weitere Mitstreiter sind übrigens sehr willkommen.
Kontakt
Die Internetseite ecb-kempen.de informiert über das Projekt E-Carsharing in Bürgerhand. Dort findet sich auch der Fragenkatalog, mit dem in den nächsten zwei bis drei Monaten das grundlegende Interesse der Kempener ermittelt wird. Weitere Fragen können per E-Mail an info@ecbk.de oder telefonisch unter 02152 551606 adressiert werden.