Er ist im Karneval der Mann für die Sicherheit, er ist Clown Tommy und stets „der letzte Lackschuh“ – nun ist Thomas Härtel für drei Jahre auch noch das Oberhaupt der Kempener Narren. Mit ganz viel familiärer Unterstützung.
Thomas Härtel gehört zu der Sorte Mensch, deren Tage gerne mal zwölf Stunden mehr haben dürften. Genug zu tun hätte er, um auch diese Zeit sinnvoll zu füllen. Ob nun in seinem Unternehmen für Heizung und Sanitär, in dem er Menschen mit neuen Badezimmern und neuen Heizungen ausstattet. Oder auch in seinem Feuerwehr-Ausbildungszentrum NRW. Vor zehn Jahren begann das Projekt aus seinem Hobby, der Freiwilligen Feuerwehr, mit einem Lkw samt mobilem Brandübungscontainer. Seither ist dieses Projekt nach und nach gewachsen, dessen Ziel es ist, Einsatzkräfte der Feuerwehren und Rettungsdienste realitätsnah auszubilden. Im vergangenen Jahr hat er seine selbst gebaute Atemschutzstrecke in Betrieb genommen, auf der sich Einsatzkräfte samt Atemschutzausrüstung durch einen 66 Meter langen Parcours mit verschiedenen Hürden arbeiten müssen. Ein bisschen wie ein Indoor-Spielplatz für Erwachsene sieht es aus. Die notwendigen Trainingsgeräte, wie Laufband, Fahrrad, Arm-Ergometer und Stepper, stehen in der Halle ebenfalls bereit.
Welchen Anteil denn diese beiden Tätigkeiten ausmachen? Gerade in der Corona-Zeit war die Nachfrage im Bereich Sanitär und Heizung wieder groß – 70 Prozent. Und das Feuerwehrausbildungszentrum? Auch 70 Prozent. Bei 100 Prozent macht Thomas Härtel nicht Schluss. „Ich arbeite auch fast rund um die Uhr, samstags und sonntags.“ Probleme bereitet es ihm eigentlich nur, wenn er sich mal frei nehmen und gar nichts tun soll. Das ist nicht so sein Ding.
Seit dem 11.11. ist nun öffentlich bekannt: Thomas Härtel wird für drei Jahre auch Karnevalsprinz der Stadt Kempen sein. Ob er dafür überhaupt Zeit hat? Die Frage stand im Raum, als man Härtel aus den Reihen des KKV fragte, ob er sich das hohe Amt vorstellen könne. „Da hab ich mal im Plan nachgeguckt“, erzählt Härtel. Und da hatte der Prinz im Laufe der Session nur vier Auftritte mehr als er selbst. Thomas Härtel ist eh schon fast überall mit dabei.
Der 56-jährige Härtel ist eine feste und unverzichtbare Größe im Kempener Karneval. Er kümmert sich seit Jahren um die Sicherheitskonzepte für die Veranstaltungen des KKV und sorgt dafür, dass für die Feiernden alles möglichst gefahrlos abläuft. Er kennt alle Vertreter der beteiligten Behörden und Rettungsorganisationen und hält die Fäden zusammen.
Nun also Prinz Karneval. „Ich habe immer gesagt: Irgendwann werde ich das bestimmt mal.“ Aber seine Töchter hatten die Hoffnung darauf schon fast aufgegeben. Dann sprach ihn Gottfried Willmen, mittlerweile 1. Vorsitzender des Kempener Karnevals-Vereins (KKV), darauf an. Thomas Härtel erbat sich Bedenkzeit und sagte Ende 2020 zu. Es passte einfach alles zu gut: Seine Eltern Manfred und Irene waren vor 30 Jahren Prinzenpaar der Stadt. Seine Mutter ist zudem nun 77 Jahre alt – närrischer wird es nicht mehr.
Dann hieß es Stillschweigen wahren. Auch seine Töchter und die Mama blieben lange im Unklaren. Das führte zu Situationen, die an Krimis erinnern. Als das erste Muster des Prinzenordens, den Thomas Härtel selbst klammheimlich entworfen hatte, abgenommen werden musste, traf er sich mit dem Hersteller auf einem Autobahnparkplatz, um nicht zu lange unterwegs zu sein. Auf der Motorhaube wurde der Vertrag unterschrieben. „Das war eine spannende Sache.“ Mit einer Ausrede verbunden, musste
er sein Ornat in Auftrag geben, das nun – bis zur Proklamation – bereits fertig im Schrank hängt. Fehlt nur noch die Pritsche, die Härtel aber erst nach der Bekanntgabe fertigen lassen konnte.
Wer der neue Karnevalsprinz wird, ist in der Regel ein gut gehütetes Geheimnis in Kempen. Nach der Ankündigung, dass der Nachfolger von Peter II. und Brigitte I. mit einer Feuerwehr-Drehleiter auf die Buttermarkt-Bühne gehoben werden sollte, kreiste hinter vorgehaltener Hand aber doch der Name des Feuerwehrmanns Härtel. Daher bemühte er sich, dass man ihn am 11.11. bis kurz vor 11 Uhr noch in Arbeitskleidung auf dem Buttermarkt werkeln sah. Seine Töchter Paulin und Lucie, die ihn durch die Session begleiten werden, wurden im abgedunkelten Bus herangefahren.
Ein sichtlich bewegender Moment war die Enthüllung für den neuen Regent. Besonders als Alt-Bürgermeister und Ex-Karnevalsprinz Karl-Heinz Hermans einige treffende Wort zu ihm sprach. Dass Hermans eigentlich eine Rede für einen anderen potenziellen Kandidaten in der Tasche hatte, erfuhr Härtel erst später.
Die Freude über den neuen Regenten war bei allen Narren groß. Kempen hat nicht nur einen Prinzen, sondern eine ganze Familie mit großem Herzen für den Karneval an der Spitze. 1977 zog die Familie von Düsseldorf nach Kempen – an Rosenmontag, sodass Prinz Rudi I. mit seinem Rosenmontagszug dem Umzugswagen den Weg versperrte. Schon im Düsseldorfer Karneval war Thomas Härtel als Kind als Zeremonienmeister aktiv. Manfred Härtel machte sich in Kempen mit einem Heizungs- und Sanitärbetrieb selbstständig. Zusammen mit seiner Frau Irene mischte er dann auch recht bald im Kempener Karneval mit und sie wurden 1992 das Prinzenpaar der Stadt.
Auch Paulin und Lucie feiern gerne Karneval. Wenn die närrischen Tage anstehen, steht das Haus Härtel Kopf. Bei Musik machen sich alle zusammen bereit. Paulin tanzt schon seit sie drei Jahre alt ist in verschiedenen Kempener Karnevalstruppen mit, zuletzt bei den Gardepänz. Die 20-Jährige macht eine Ausbildung zur Krankenschwester im Kempener Krankenhaus. Die 17-jährige Lucie, die zurzeit am Rhein-Maas-Berufskolleg ihr Fachabitur macht, kam erst etwas später zu den Gardepänz dazu. Beide freuen sich sehr auf die Session. Was sie am meisten mögen? Karneval bei der Feuerwehr. Das gehört einfach dazu.
Thomas Härtel hatte in Kempen schon verschiedene karnevalistische Stationen. Im Elferrat lernte er bei Ferdi Stoffels, wie Sitzungskarneval funktioniert, machte einen kurzen Abstecher zur Prinzengarde, kam über die Feuerwehr dann zur Funken-Artillerie und schließlich zum Kempener Karnevals-Verein.
Dem „Profi-Karnevalisten“ macht Feiern einfach Spaß. Am meisten freut er sich nun erst mal auf seine Proklamation am 8. Januar im Kolpinghaus. Und er hofft, dass die Vereine ihre Säle mal wieder richtig schön voll machen können. „Wer Karneval feiern will, sollte sich impfen lassen“, ruft Thomas Härtel daher auf. Er blickt auch schon auf den Zug im kommenden Jahr. Bisher sei er immer mitgelaufen. Ob es ihn lange fernab des Feiervolks auf seinem hohen Wagen halten wird, weiß er nicht. Auf jeden Fall soll der Wagen eine Treppe für den schnellen Abstieg vom närrischen Thron bekommen.
Der designierte Prinz ist nicht nur als „Clown Tommy“ im Kinderkarneval bekannt, er hat sich unter Karnevalisten auch den inoffiziellen Titel „Der letzte Lackschuh“ verdient – schließlich ist er immer der Letzte vom KKV, der nach Hause geht. Dann wird es auch schon mal bis drei, vier Uhr morgens, so Thomas Härtel. Vier? „Sieben!“, korrigiert ihn Paulin. Zum Glück ticken die Uhren in der fünften Jahreszeit einfach ein bisschen anders. Da kann dann der Tag auch schon mal ein paar Stunden mehr haben.
Fotos: Patrick van der Gieth, Ulrike Gerards, KKV