- Vorsitzender des SV Thomasstadt im Interview
Guten Tag, Michael, schön, dass du die Zeit für dieses Gespräch gefunden hast. Gerne würde ich – bevor wir auf deinen Verein konkret zu sprechen kommen – über ein Thema sprechen, das mir sehr wichtig ist, wenn wir über Vereinsfußball an der Basis reden. Sprechen wir über die gesellschaftliche Bedeutung von Fußball. Gerade in den Amateurvereinen muss man oder kann man sehr viel tun, um Kinder und Jugendliche „auf den richtigen Weg“ zu bringen. Sieht man das als Vorsitzender eines Sportvereins auch so, dass dies unbedingt eine der Aufgaben ist?
Michael Beenen: Ich denke, das ist sogar eine Kernaufgabe, die wir zu erfüllen haben. Es ist eine ganz besonders wichtige Aufgabe. Betrachten wir doch einmal eine Fußballmannschaft. Dann sieht man: Es handelt sich sozusagen um ein Abbild unserer Gesellschaft. So bunt und so vielfältig wie unsere Gesellschaft ist, so stellt sich auch eine Mannschaft, ein ganzer Verein dar. Wir als Sportverein haben eine ganz wichtige Aufgabe in Bezug auf das Integrationsthema wahrzunehmen. Wir haben einen sozialen Auftrag, den wir auch unseren Übungsleitern ganz klar vermitteln. Und sie müssen dies dann an ihre Mannschaft weitergeben bzw. in der täglichen Trainingsarbeit umsetzen.
Wo kommt ein solcher Auftrag her, wer gibt das vor bzw. wird das überhaupt vorgegeben … vom DFB vielleicht …?
Wenn man sich in einem Sportverein – und das gilt für jeden Verein – ehrenamtlich engagiert, ist es eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass man in dieser Tätigkeit neben dem sportlichen Aspekt auch die soziale Komponente im Blick hat. Wir bei Thomasstadt Kempen vermitteln dies unseren Übungsleitern immer wieder, zum Beispiel bei den Trainersitzungen, den Fortbildungen usw.
Gibt es in der Praxis Kinder oder Jugendliche, die sich bewusst mit ihren Problemen an die Übungsleiterinnen und Übungsleiter wenden oder auch an den Vereinsvorsitzenden?
Ja, das gibt es immer wieder. Aus eigener Erfahrung als Trainer kann ich das bestätigen. Man baut ja ein Vertrauensverhältnis zu seinen Spielerinnen und Spielern auf – und das ist eine gute Grundlage für ein Gespräch über ein schwieriges Thema, das den jungen Menschen umtreibt. Dabei kann man durchaus feststellen, dass ein Kind, ein Jugendlicher mit seinen Problemen häufig eher zu seinem Trainer geht als zu seinen Eltern. Es stellt sich bei diesem Thema immer wieder die Frage, wie man mit einer solchen Situation umgeht. Wir sind natürlich in der Regel keine ausgebildeten Pädagogen oder Psychologen. Da müssen wir schon auch unsere Grenzen sehen. Wenn es wirklich in die „gefährliche“ Schiene geht, zum Beispiel beim Thema Drogen, muss man schauen, ob nicht dann doch die Eltern angesprochen werden müssen. Oder manchmal ist es auch notwendig, das Jugendamt mit ins Boot zu holen. Allgemein kann man festhalten, dass bei vielen „Alltagsproblemen“, so will ich es einmal nennen, der Trainer, die Trainerin, schon ein wichtiger Ansprechpartner sein kann.
Nun wollen wir mal über die Fußballabteilung deines Vereins etwas genauer sprechen. In welcher Liga spielt denn aktuell dein Verein?
Wir spielen in einer sehr ambitionierten Klasse, und zwar der Kreisliga B.
Auf welchem Untergrund spielt ihr?
Der Hauptplatz ist ein Kunstrasenplatz.
Gibt’s auch noch Ascheplätze?
Selbstverständlich. Den müssen wir leider auch noch nutzen. Ich sage bewusst „leider“, denn wir nehmen mit 28 Mannschaften am Ligabetrieb teil und dafür ausreichend Spielplätze zur Verfügung zu stellen, ist Woche für Woche eine Herausforderung. Wir haben hierfür extra einen Terminplaner und der ist damit vollauf beschäftigt.
Auf welchem Tabellenplatz steht die 1. Mannschaft?
Derzeit (November 2021) stehen wir auf dem 2. Platz.
Aufstieg ist das Ziel!?
Wir haben es in den letzten Jahren nicht so klar gesagt, aber dieses Jahr werden die Stimmen immer lauter, der Druck wird höher. Wir haben gesagt: Wir wollen aufsteigen. Die Voraussetzungen dafür sind gut: Eine junge Truppe, alles Kempener Jungs, von denen viele schon mal woanders gespielt haben. Unser Trainer, André Meier, hat in Kempen seinen ersten Trainerjob einer Seniorenmannschaft. Er ist sehr ambitioniert, möchte mit seiner Mannschaft viel erreichen. André war es auch, der viele Spieler wieder davon überzeugt hat, nach Kempen zurückzukommen.
Klingt gut. Wieviele Zuschauer kommen, wenn ihr ein Meisterschaftsspiel habt?
Tatsächlich hatten wir jetzt gegen den Spitzenreiter knapp 300 Zuschauer.
Oh ja, das ist schon ganz ordentlich. Welches ist das größte Problem, das der Verein zurzeit hat?
Das größte Problem ist der Mangel an Ehrenamtlern. Es wird in der heutigen Zeit immer schwieriger, Leute zu finden, die sich für eine solche Arbeit begeistern können, die auch administrative Dinge erledigen möchten. Für alle Dinge, die im Hintergrund laufen, wie zum Beispiel den Spielplan zu erstellen und viele andere Aufgaben mehr, brauchen wir Leute. Menschen, die uns als Vorstand bei unserer Arbeit unterstützen, die uns im gewissen Sinne auch den Rücken freihalten für viele wichtige Aufgaben der Vorstandsarbeit. Wir brauchen Menschen, die unsere Trainerinnen und Trainer unterstützen. Natürlich ist es auch erklärbar, warum sich nicht so leicht Menschen finden lassen, die sich für die Vereinsarbeit interessieren. Jeder hat seinen Job (oder manchmal auch zwei), eine Familie, ein eigenes Hobby usw. – und da bleibt für eine Arbeit in einem Verein einfach keine Zeit mehr. Wir versuchen natürlich, Leute zu motivieren, uns zu unterstützen, Begeisterung für unsere Arbeit zu wecken, durch Aktionen, durch die Erweiterung der Angebote. Wir versuchen attraktiv zu sein für Sponsoren, wir müssen offen sein für neue, interessante Aktivitäten, auch für solche, die nicht immer direkt etwas mit dem Sport zu tun haben.
Kommen wir noch auf ein anderes Thema zu sprechen. Es ist euch gelungen, ein Talent herauszubringen, das über Fortuna Düsseldorf bei Borussia Mönchengladbach gelandet ist und dort in der 1. Mannschaft spielt. Ich spreche von Louis Jordan Beyer. Gibt es da eigentlich noch eine Verbindung hin?
Ja, es gibt eine sehr enge Verbindung und für mich persönlich sogar eine sehr emotionale. Am gleichen Tag, in der gleichen Stunde wie Jordan wurde meine Tochter geboren, im gleichen Kreißsaal; Jordans Mutter lag rechts, meine Frau links. Ich kenne auch den Vater von Jordan sehr gut, der Bruder vom Vater war früher mein Spielkamerad. Kempener Familie, da kennt man sich. Ich habe heute noch Kontakt zu Jordan. Er ist immer noch sehr nahe dran am Verein, ist immer mal wieder bei den Spielen dabei. Sein Bruder spielt bei mir in der A1. Die Verbindung ist immer noch sehr eng, da sind wir auch stolz drauf. Jordan ist übrigens das jüngste Ehrenmitglied, das wir je hatten.
Gibt es eine Entschädigung, wenn man einen solchen Spieler zu einem hochspielenden Verein abgibt?
Ja, es gibt eine Ausbildungsentschädigung für den „Vaterverein“. Der erste Verein, für den der Spieler gespielt hat, bekommt auch eine Prämie, wenn der Spieler sein erstes Profispiel für den Verein absolviert hat.
Michael, wir könnten sicherlich noch stundenlang über Fußball miteinander sprechen. Auch über die anderen Abteilungen von SV Thomasstadt würde ich gerne mehr erfahren. Das machen wir dann ein nächstes Mal. Vielen Dank für das Gespräch … und weiterhin viel Erfolg, sportlich und persönlich. Es hat Spaß gemacht, mit dir zu sprechen.
Ich danke für die Einladung – und das Gespräch.
Fotos: Patrick van der Gieth,