Mit Ping Pong gegen Parkinson

Die Kempener Selbsthilfe-Initiative bietet nun auch Tischtennis für an Parkinson erkrankte Menschen an.

PPP – das ist die Abkürzung für Ping Pong Parkinson. Das klingt musikalisch, wie ein Reim. Doch der eingängige Name hat einen ernsten Hintergrund. Und gleichzeitig auch etwas mit Spaß zu tun. Ein Schild mit den drei P weist den Weg in die alte Schulturnhalle auf dem Gelände der Kempener Gesamtschule an der Pestalozzistraße. In der nicht klimatisierten Halle kocht die Luft in der schwülen nachmittäglichen Sommerhitze. Das hält einige Herren nicht davon ab, hier Tischtennis zu spielen. Der Spielverlauf ist vielleicht nicht sehr rasant, aber doch konzentriert und flüssig. Das Besondere: Alle Spieler sind an Parkinson erkrankt.
Seit rund einem Jahr bietet die Parkinson-Selbsthilfe-Initiative Kempen das spezielle Tischtennis als neues Angebot parallel zum Reha-Sport an. Die Gruppe ist an den Kempener Leichtathletik Club (KLC) angedockt, um die Ausrüstung nutzen zu können. Alle Teilnehmer hier haben ein gemeinsames Credo: „Bewegung hilft“. Parkinson ist eine tückische, schleichende Erkrankung. Durch eine Schädigung von bestimmten Nervenzellen im Gehirn treten Störungen der Motorik auf. Die Krankheit ist nicht heilbar, muss im Regelfall medikamentös begleitet werden. Sie verläuft individuell sehr unterschiedlich. Typisch sind eine Verlangsamung der Bewegungen, Zittern und Muskelversteifung. So war es auch bei Günter Madré. Vor 15 Jahren wurde bei dem heute 74-jährigen Kempener Parkinson diagnostiziert, als seine Hände zu zittern begannen. Gut medikamentös eingestellt, konnte er seinem Beruf bis zur Rente nachgehen und auch seine Sportarten – Fußball und Tennis – ausüben. Irgendwann ging das nicht mehr, er kam zur Parkinson Reha-Sport-Gruppe unter der Leitung von Herbert van den Bosch.
2018 wurde dann die Parkinson-Selbsthilfe-Initiative Kempen als freie Gruppierung gegründet. Treibende Personen waren dabei neben Günter Madré auch Herbert van den Bosch und Marlene Krey. Vielfältige Gruppenaktivitäten entfalteten sich. Es gibt monatliche Treffen mit wechselnden Themen, Vorträge von Fachleuten, eine Skatgruppe, eine Angehörigengruppe, geselliges Zusammensein und an jedem Donnerstag den Rehasport – nun auch mit PPP.
Georg Straeten unterbricht sein Tischtennis-Spiel. Sein Gesicht ist gerötet, er wischt sich mit einem Handtuch den Schweiß aus der Stirn. Seine Bewegungen sind unruhig. Der 65-Jährige ist Arzt aus Wachtendonk. Vor 17 Jahren wurde bei ihm Parkinson diagnostiziert. „Ich hätte damals nie gedacht, dass ich nach 17 Jahren noch Tischtennis spielen würde“, sagt er. Er ist davon überzeugt, dass dabei Beweglichkeit und Reaktionsschnelligkeit erhöht werden. Er selbst ist zudem noch aktiver Reiter, sitzt mehrfach in der Woche auf seinem Pferd und hat eine Studie dazu verfasst. Körperliche Bewegung, das sei ganz wichtig. Doch dazu müsse auch die richtige innere Haltung kommen, sagt er. „Bei einer negativen Einstellung blockiert man sich selbst“, so seine Überzeugung. Er glaubt auch, dass dann die Medikamente, die jede Parkinson-Behandlung begleiten, schlechter vertragen würden. Ganz wichtig sei der Spaß, der Austausch im Kreise von Gleichgesinnten, wie er es beim Tischtennis findet.
Es sei leider so, dass sich immer noch viele Menschen, die an Parkinson erkranken, zurückziehen, bedauert Günter Madré. Manche leugnen die Erkrankung, andere schämen sich, wenn sich ihre Gliedmaßen unkontrolliert bewegen. „Die gehen dann nicht mehr raus, doch das ist das Schlechteste, was man machen kann“, sagt er. Rund 35 Personen sind über die Selbsthilfe-Initiative eingebunden, doch er glaubt, dass es in Kempen viel mehr Erkrankte gebe.
Hinter Ping Pong Parkinson steht ein eingetragener Verein als bundesweiter Zusammenschluss von Einzelpersonen und Selbsthilfegruppen. Das erklärte Ziel besteht darin, den rund 400.000 Parkinson-Erkrankten in Deutschland mehr Lebensqualität und größere Lebensfreude zu ermöglichen. Ping Pong als Form des Tischtennissports soll die Motorik und die Beweglichkeit stärken. Zudem sollen Gedächtnisleistung, Gleichgewichtssinn und Reaktionsvermögen verbessert werden. Eine Studie japanischer Wissenschaftler hat ergeben, dass sich nach einem Training von sechs Monaten Verbesserungen in Sprache, Handschrift und Mobilität erkennen ließen. Zu den prominenten Unterstützern gehören etwa der Arzt und Komiker Eckhard von Hirschhausen, Moderator Norbert König, der deutsche Tischtennis-Weltmeister Jörg Roßkopf und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (www.pingpongparkinson.de).
Bjarne Nordlander hat sein Training beendet und bereits die Halle verlassen. Bei ihm wurde die Krankheit erst vor wenigen Monaten diagnostiziert. Doch der 79-jährige Kempener mit dänischen Wurzeln will sich nicht unterkriegen lassen. Auch er spielt Tischtennis in der Gruppe, jeden Mittwoch ist er in der Skatrunde anzutreffen. „Ich bin zuversichtlich“, sagt er – und radelt auf seinem E-Bike davon.

Text: Eva Scheuss/Fotos: Patrick van der Gieth